Geliebter Tyrann
Gesicht in den Händen. »Er haßt mich, überall sehe ich die Zeichen seines Hasses. Seit diesem Regen hat er sich schrecklich verändert. Er will mich nicht essen lassen. Er hat Frauen eingestellt, die das Haus putzen; doch wenn ich ihnen Anweisung gebe, wollen sie nicht auf mich hören. Es ist fast so, als wäre ich nicht die Herrin der Plantage.«
Gerard wickelte einen kleinen, mit Schokolade überzogenen Käsekuchen aus. Er berührte ihren Arm und hielt ihr den Kuchen hin. Ihre Augen glitzerten durch ihre Tränen hindurch, als sie ihm den kleinen Kuchen abnahm. »Wenn dir und mir die Plantage gehörte, würde alles anders werden.«
»üns? Wie könnte sie uns gehören?« Sie hatte bereits den Kuchen verschlungen und sah zu, wie Gerard einen zweiten auswickelte.
»Wenn Armstrong tot wäre, würdest du die Plantage erben.«
»Er hat eine so widerlich robuste Konstitution wie eines seiner Maultiere. Ich dachte, vielleicht würde er sich zu Tode trinken; doch seit dem Regen nimmt er keinen Tropfen Alkohol mehr zu sich.«
»Wie viele Leute wissen das? Es hat sich doch überall herumgesprochen, daß er seit einem Jahr oder sogar länger keinen einzigen Tag nüchtern war. Wie wäre es, wenn er einen... Unfall hätte im Zustand der Trunkenheit?«
Bianca lehnte sich zurück und starrte auf die Überreste des Festmahls. Da war nicht viel übriggeblieben, und sie haßte es, etwas übrig zu lassen; doch sie konnte beim besten Willen keinen Bissen mehr über die Lippen bringen. »Ich sagte dir, daß er nicht mehr trinkt«, sagte sie mit geistesabwesender Stimme.
Gerard knirschte mit den Zähnen, so wütend war er über ihre Beschränktheit. »Glaubst du, wir könnten uns noch ein letztes Mal zum Picknick treffen?«
Langsam hob Bianca den Kopf und sah ihn an. »Was meinst du damit?«
»Clayton Armstrong ist ein böser Mann. Er lockte dich mit falschen Versprechungen hierher. Und als du in dieses schreckliche Land gekommen bist, hat er dich mißbraucht und mißhandelt.«
»Ja«, flüsterte Bianca, »ja.«
»Es ist schlimm um die Gerechtigkeit in dieser Welt bestellt, wenn sie so etwas auf die Dauer zuläßt. Du bist seine Frau, doch er behandelt dich wie ein Stück Dreck, um Gottes willen, er erlaubt dir ja nicht einmal, zu essen!«
Bianca streichelte ihren gewaltigen Bauch. »Du hast recht; aber was kann ich denn tun?«
»Ihn loswerden!« Er lächelte, als Bianca ihn erschrocken ansah. »Ja, du weißt, was ich damit meine.« Er beugte sich über die schmutzigen Schüsseln und Teller hinweg und ergriff ihre Hand. »Du hast jedes Recht dazu. Du bist so arglos, daß du noch nicht einmal erkannt hast, worum es geht: um dein Leben oder seines. Glaubst du, ein Mann wie Clayton Armstrong würde vor einem Mord zurückscheuen?«
Sie blickte ihn entsetzt an.
»Was kann er denn sonst tun? Er will Nicole haben, und doch ist er mit dir verheiratet. Hat er dich um die Scheidung gebeten?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das wird er tun. Und willst du ihm die Freiheit geben?«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
»Dann wird er andere Wege finden, um sich von einer unerwünschten Frau zu befreien.«
»Nein«, flüsterte Bianca, »das glaube ich dir nicht.« Sie versuchte aufzustehen; doch ihr Umfang und das viele noch unverdaute Essen machten sie unbeweglich.
Gerard erhob sich, stemmte beide Beine in die Erde und reichte ihr die Hände, um sie in die Höhe zu ziehen. »Denke darüber nach«, sagte er, als sie ihm gegenüberstand. »Es geht jetzt um Leben oder Tod. Es gilt zu entscheiden, ob du oder er überlebt.«
Sie wandte sich von ihm ab. »Ich muß jetzt gehen.« Ihr schwindelte der Kopf von den gräßlichen Dingen, die Gerard ihr eingeimpft hatte. Sie ging sehr langsam zum Haus zurück. Ehe sie die Halle betrat, sah sie hinter der Tür nach, ob sich dort niemand versteckte. Als sie mühsam die Treppe hinaufstieg, kniete sie auf der vorletzten Stufe nieder, um zu prüfen, ob dort ein Draht war, über den sie stolpern könne.
Eine Woche später sprach Clay zum erstenmal mit ihr über eine Scheidung. Sie war sehr schwach und erschöpft von dem bißchen, das sie noch essen durfte, und dem Mangel an Schlaf. Seit ihrem Picknick mit Gerard hatte sie keine richtige Mahlzeit mehr gegessen. Clay hatte Anweisung gegeben, daß Bianca eine strenge Diät einhalten müsse. Sie hatte nachts kaum Ruhe gefunden, weil sie ständig davon träumte, daß Clay mit einem Messer über ihr stünde und sie anschrie, es könnte nur einer von ihnen
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