Geliebter Tyrann
Personal? Warum steht mein Frühstück noch nicht auf dem Tisch?«
»Ich dachte, du hättest dir vielleicht meinetwegen Sorgen gemacht; doch nun höre ich, deine Sorge galt nur Maggies Küche.«
»Ich verlange eine Antwort! Wo ist das Frühstück?«
»Das Frühstück wird im Augenblick auf der anderen Seite des Flusses in Nicoles Mühle serviert.«
»Sie! Diese Schlampe! Da bist du also gewesen. Ich hätte wissen sollen, daß du nicht ohne deine abscheulichen, primitiven Bedürfnisse leben kannst. Was hat sie denn diesmal angestellt, um dich anzulocken? Hat sie dir etwas über mich erzählt?«
Clay blickte angeekelt zur Seite und ging an ihr vorbei die Treppe hinauf. »Dein Name wurde nicht erwähnt, Gott sei Dank.«
»Wenigstens so viel hat sie gelernt«, entgegnete Bianca schnippisch. »Sie ist gerissen genug, um zu begreifen, daß ich sie durchschaut habe, daß ich sie sehe, wie sie wirklich ist. Ihr anderen seid ja mit Blindheit geschlagen und seht nicht, was für eine habgierige, intrigante Lügnerin sie ist.«
Clay fuhr mit einem Fauchen zu Bianca herum. Er machte einen Satz über vier Stufen und stand vor ihr. Er packte sie am
Halsausschnitt ihres Gewandes und warf sie heftig gegen die Wand. »Du Miststück! Du hast nicht einmal das Recht dazu, ihren Namen in den Mund zu nehmen. Du hast in deinem Leben noch nie etwas Gutes oder Anständiges für andere getan, und du wirfst ihr vor, daß sie genauso wäre wie du. Heute nacht hat Nicole mehrere Morgen von ihrem Land geopfert, um meines zu retten. Ja, ich bin die ganze Nacht bei ihr gewesen und habe zusammen mit ihr und anderen Leuten, die wissen, was Güte und Großzügigkeit ist, einen Graben geschaufelt, um meine Felder zu retten.«
Er stieß Bianca wieder gegen die Wand. »Du hast mich lange genug ausgenützt. Von jetzt an werde ich wieder bestimmen, was auf dieser Plantage geschieht, nicht du.«
Bianca hatte Mühe, Luft zu bekommen. Seine Hände schnitten ihr die Blutzirkulation ab. Ihre fetten Wangen blähten sich unter dem Druck seiner Finger. »Du kannst nicht zu ihr gehen. Ich bin deine Frau«, keuchte sie. »Diese Plantage gehört mir.«
»Frau!« höhnte er. »Für das, was ich getan habe, habe ich dich fast verdient, glaube ich.« Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. »Schau dich doch an! Du kannst dich genausowenig leiden wie alle anderen auch.« Er wandte sich von ihr ab und ging die Treppe hinauf zu seinem Zimmer, wo er aufs Bett fiel und sofort einschlief.
Bianca stand so regungslos wie eine Statue aus Marmor, nachdem Clayton die Treppe hinaufgegangen war. Was meinte er damit, daß sie sich nicht leiden konnte? Sie kam aus einer alten und bedeutenden englischen Familie! Wie konnte sie da nicht stolz auf sich sein?
Ihr Magen knurrte, und sie legte die Hand darauf. Langsam verließ sie das Haus und ging in die Küche hinüber. Sie hatte keine Ahnung vom Kochen, und die Fässer voll Mehl und anderen rohen Zutaten verwirrten sie nur. Sie war hungrig, sehr hungrig, und konnte nichts Eßbares finden. Tränen schwammen in ihren Augen, als sie die leere Küche verließ und zum Garten ging.
Am Ende des Gartens stand ein kleiner Pavillon, diskret versteckt unter zwei rieisgen alten Magnolienbäumen. Sie setzte sich schwerfällig auf ein Kissen; dann, als sie merkte, daß es vom Regen durchtränkt war, wollte sie sich wieder davon erheben. Aber was hatte das jetzt noch für einen Sinn? Ihr schönes Kleid war bereits verdorben. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie an den Federn ihres Morgenmantels zupfte.
»Darf ich Sie stören?« hörte sie eine leise Stimme mit fremdländischem Akzent.
Biancas Kopf ruckte hoch. »Gerard!« schluchzte sie, während frische Tränen ihre Augen füllten.
»Sie haben geweint«, sagte er teilnahmsvoll. Er wollte sich neben sie setzen, merkte jedoch, daß die Polster naß waren. Er warf eines davon über das Geländer und benützte dann ein Taschentuch, um das Wasser von der hölzernen Bank zu wischen. Dann setzte er sich. Bitte, erzählen Sie mir, wer hat Sie so verletzt? Sie sehen aus, als hätten sie einen Freund nötig.«
Bianca vergrub das Gesicht in den Händen. »Ein Freund! Ich habe keine Freunde! Jeder in diesem schrecklichen Land haßt mich. Heute morgen sagte er, daß ich mich selbst nicht leiden könnte.«
Gerard beugte sich vor und berührte Biancas Haar. Es war nicht ganz sauber. »Begreifen Sie nicht, daß er Sie mit Absicht kränkt? Er will nur Nicole haben. Er wird
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