Geliebter Tyrann
alles tun oder sagen, um sie zu bekommen. Er möchte Sie aus dem Haus treiben, damit er Nicole haben kann.«
Bianca sah ihn mit ihren kleinen, rotgeweinten Augen über geschwollenen Wangen an. »Er kann sie nicht haben. Er ist mit mir verheiratet.«
Gerard lächelte, als wäre sie ein Kind. »Was sind Sie doch für ein unschuldiges Ding. Sie sind so süß und verletzbar, so ahnungslos. Hat er Ihnen gesagt, wo er die letzte Nacht verbracht hat?«
Sie wedelte mit einer Hand. »Er sagte etwas von einer Überschwemmung und daß Nicole sein Land gerettet habe.«
»Natürlich würde sie sein Land retten. Sie möchte es eines Tages ja selbst besitzen. Sie tat so, als brächte sie ein großes Opfer; doch tatsächlich hat sie nur dafür gesorgt, daß auf der Seite des Flusses, die zur Armstrong-Plantage gehört, noch mehr Land angeschwemmt wurde. Und eines Tages wird ihr das, wenn ihr Plan aufgeht, ja wieder gehören.«
»Aber wie will sie das erreichen? Es gibt Zeugen, daß meine Ehe mit Clay rechtmäßig ist. Sie kann nicht annulliert werden.«
Gerard tätschelte ihr die Hand. »Sie sind eine echte Lady. Sie können sich nicht einmal vorstellen, wie heimtückisch die beiden sind. Sie haben den beiden ein paar Streiche gespielt, doch das waren harmlose Streiche, die keinem wirklich weh taten. Selbst die Entführung sollte so ablaufen, daß keinem ein Leid geschah. Doch deren Pläne sind nicht so unschuldig - oder fair«
»Was... meinen Sie damit? Eine Scheidung?«
Gerard schwieg einen Moment. »Wie sehr wünschte ich, es wäre nur eine Scheidung. Ich glaube, sie planen mehr! Einen... Mord!«
Bianca starrte ihn einen Moment mit offenem Mund an. Zunächst hatte sie gar keine Vorstellung, wer denn ermordet werden sollte. Die Idee, daß Nicole von einer Klippe stürzte, gefiel ihr. Wenn Nicole tot war, würde sich ihr Leben erheblich verbessern. Doch sie sah keinen Grund, der Clay veranlassen würde, Nicole umzubringen.
Ganz langsam wurde ihr klar, was Gerard meinte. »Ich?« flüsterte sie. »Sie wollen mich töten?«
Gerard schloß die Finger fest um ihre Hand. »Ich, fürchte ich, bin genauso naiv wie du. Ich brauchte lange, um zu begreifen, was da vor sich geht. Ich konnte nicht verstehen, weshalb Nicole freiwillig einen Teil ihres Landes dem Wasser opferte, wenn sie nicht einen Beweggrund dafür hatte, den kein anderer sah. Ich kam heute morgen endlich auf die Lösung. Diese Barbaren machten so viel Lärm in der Mühle, daß ich kaum schlafen konnte. Ich erkannte, daß das Neuland, das sie mit der Veränderung des Flußlaufes anschwemmte, Nicole einen Gewinn brächte, wenn sie wieder die Herrin dieser Plantage werden würde.«
»Aber... Mord!« meinte Bianca entsetzt. »Das kann doch nicht ihre Absicht sein!«
»Hat Armstrong schon einmal versucht, Ihnen weh zu tun? Hat er Sie jemals geschlagen?«
»Heute morgen. Er stieß mich gegen eine Wand. Ich bekam kaum noch Luft.«
»Das ist es, was ich meine. Er ist ein gewalttätiger Mensch. Er beginnt, die Gewalt über sich zu verlieren. Es wird nicht mehr lange dauern, und er spannt eine kleine, fast unsichtbare Schnur zwischen dem Geländer der Treppe. Und wenn Sie aus dem Oberstock kommen und die Stufen hinuntergehen, werden Sie darüber stolpern und stürzen.«
»Nein!« keuchte Bianca, die Hand an der Kehle.
»Natürlich wird Armstrong ziemlich weit vom Haus entfernt sein, wenn das passiert. Später muß er dann nur die Schnur wieder entfernen. Dann kann er den schmerzgebeugten Witwer spielen, während Sie, meine Liebe, kalt in einem Sarg liegen werden.«
Biancas Augen waren starr vor Entsetzen. »Das kann ich nicht zulassen. Das muß ich verhindern.«
»Ja, Sie müssen sehr vorsichtig sein. Meinetwegen - genauso wie Ihretwegen.«
»Ihretwegen?«
Gerard hob ihre Hand und hielt sie zwischen seinen Fingern. »Sie werden mich für einen ungehobelten Menschen halten, einen Mann, der sich zuviel herausnimmt. Nein, ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Bitte«, bettelte sie. »Sie sagten, wir wären Freunde. Sie können mir Ihre Gedanken ruhig anvertrauen.«
Er blickte zu Boden, sah jedoch, daß er zu naß war für einen Kniefall. Er würde sich seine seidenen Strümpfe ruinieren.
»Ich liebe dich«, brachte er endlich mit verzweifelter Stimme hervor. »Wie kann ich von dir erwarten, daß du mir glaubst? Wir haben uns erst einmal gesehen; doch seither habe ich an nichts anderes mehr gedacht. Du verfolgst mich sogar in meinen Träumen. Jeder meiner Gedanken
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