Geliebter Vampir (German Edition)
Gate mit Hunderten von Me n schen, einschließlich der Sklaven, gewesen war. Tante Pitty war seit jeher unpraktisch veranlagt gewesen. Eine unverheiratete ä l tere Verwandte wie sie hatte es in ziemlich allen großen Südsta a tenfamilien gegeben.
Helens Mutter und ihre Tante hätten sie gern verheiratet. Sie konnten sich nur schwer damit abfinden, dass Helen studiert hatte und zudem noch als praktische Ärztin in eine männliche Domäne eingebrochen war. Sie hätten lieber ein sanftes, stilles Wesen g e habt, das ihnen nie widersprach und sich lenken ließ. Die rotha a rige temperamentvolle Helen mit den üppigen, festen Brüsten, den meergrünen Augen und der kurvenreichen, dennoch schlanken Figur entsprach diesem ihrem Idealbild in keiner We i se.
Mutter und Tante beklagten sich oft, sie wäre ein Kreuz für die Familie. Helens Tüchtigkeit in ihrem Beruf konnte sie nicht davon abbringen. Für Helen war es bequemer, zu Hause zu leben. Ihr ärz t licher Beruf erforderte ihre ganze Kraft. Zudem hing sie an ihrer Familie. So zogen die Tage dahin, und so sah es aus, als Helen beim Mardi Gras 1872 unverhofft ihre vor einem Jahr verstorbene Schwester als Vampir wiedersah.
*
New Orleans, 1872
Robert Dubois öffnete Helen die schmiedeeiserne Pforte zum Grundstück, auf dem das einstöckige, gepflegte Haus stand. Helen erschien es durchaus groß genug. Doch ihre Mutter und ihre Tante beklagten sich jeweils bitter. Dieses Haus konnte nun einmal mit Heaven’s Gate, diesem schlo ss ähnlichen Baumwollpfla n zerpalast, nicht konku r rieren.
» Sagen Sie meinen Angehörigen nichts von Blanche, Kapitän « , bat die junge Ärztin.
Robert Dubois nickte. Er führte Helen ins Haus. Ihre Eltern und Tante Pitty erwarteten sie. Der alte Moses schaute um die Ecke. Der grauköpfige Neger atmete erleichtert auf, als er sah, dass H e len unbeschadet nach Hause gekommen war. In welcher G e fahr sie sich befunden hatte, sagte sie ihrer Familie nicht.
Sonst hätte es ein Drama gegeben. Der Schreck war ihr jedoch in die Glieder gefahren, und sie beschloss , demnächst vorsicht i ger zu sein.
» Endlich bist du da « , sagte Tante Pitty. » Es ist ein Skandal, eine junge Frau wie du beim Mardi Gras in diesen unsich e ren Zeiten ganz allein auf der Straße. Zum Glück ist Kapitän Dubois gekommen und dir entgegen gegangen. «
Robert Dubois tippte an seine speckige, verschwitzte Kapitän s mütze. Den Grund seines Kommens hatte er Helens Angehörigen nicht genannt, sondern nur gesagt, dass er sie dringend in einer vertra u lichen Angelegenheit sprechen müsste . Danach hatte er eine Weile auf sie gewartet und war losgegangen.
» Blanche war viel vernünftiger als du « , klagte Helens Mutter. » Sie ist immer so sanft gewesen. Es war eine Freude, sie als Toc h ter zu haben. «
» Ach « , sagte die rundliche Tante Pitty. » Wenn sie doch nur noch lebte. «
Sie tupfte sich mit dem Spitzentüchelchen ihre Kinderaugen. H e len zwang sich, eine unbefangene Miene zu zeigen. Robert Dubois behielt sein Pokerface bei, was ihm nicht schwerfiel. H e len dachte an ihre Schwester, wie sie an dem Abend erblickte: Als eine Vam p irin, wie sie mit blutbeschmiertem Mund und langen, spitzen Ec k zähnen an dem pockennarbigen Matrosen gehangen hatte. Und später, als sie auf dem Trümmergrundstück den herkulischen Neger Big Sam und die anderen Tunichtgute fauchend wie eine Bestie erschreckte.
Wenn ihre Familie davon erfuhr, konnte es Nervenzusammenbr ü che geben. Helens Angehörige sollten nichts davon wissen, bevor eine Lösung sich abzeichnete. Oder es nie erfahren.
Helen küsste ihren Vater auf die Wange. Major Farrar hielt ein Buch mit Goldauflage an den Seitenkanten in der Hand. Es handelte sich um ein Werk über den Bürgerkrieg.
» Ein Glück, dass du unversehrt heimgekommen bist, Rotkopf « , sa g te John Farrar. » Es treibt sich allerhand Gesindel herum in den Straßen. All die freigelassenen Sklaven, die herumlungern und nicht wissen, was sie treiben sollen. Früher hat es das nicht g e geben. Da waren sie unter und mussten arbeiten. «
» Und wurden mitunter gepeitscht « , bemerkte Robert Dubois z y nisch. » Mit Bluthunden gehetzt, wenn sie flohen, ausgebeutet. W a ren Eigentum ihrer Herrschaft und konnten ge-und verkauft we r den. «
Major Farrar regte sich auf.
» Was Sie da sagen, sind krasse Ausnahmen gewesen, Kapitän D u bois. Die paar Male, die auf Heaven’s Gate ein Schwarzer ausg e peitscht wurde, kann ich an meinen
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