Geliebtes Landleben
die Schafe befanden, unterhielten sich freundlich und sahen aus, als
tauschten sie Vertraulichkeiten. Paul erzählte mir später, daß Claudia ihn über
Mr. Barrett ausgefragt habe.
»Sie fragte nach seiner
Ausbildung. Woher zum Teufel sollte ich das wissen? Und ob er ehrgeizig sei
oder sich mit diesem gottverdammten Hinterland begnügen würde? Nein, ganz so
hat sie nicht gefragt, aber das lag klar in ihrer Stimme.«
Das war die übliche Klage. Ich
verstehe einfach nicht, warum unsere Männer, die sonst in allem so vernünftig
und klug sind, empfindlich reagieren, weil manche Leute ihre Lebensweise nicht
mögen.
»Hast du ihm denn ein
glänzendes Zeugnis ausgestellt?«
»Wie konnte ich? Ich kenne den guten
Mann doch kaum. Mir scheint er in Ordnung zu sein, und er ist sicher ganz wild
nach Tony.«
Das von Paul zu hören, der
nicht gerade unrealistisch ist, bestätigte meine eigenen Befürchtungen. »Und
Tony?« fragte ich in der Hoffnung, er würde die Achseln zucken, aber das tat er
nicht.
»Ganz bestimmt auch. Nicht, daß
sie sich irgend etwas vergibt, aber sie ist ja auch nicht mehr das kleine
Mädchen von vor einigen Jahren, das sich in einen Pfarrer verliebte. Sie hat
ihre Erfahrungen gemacht. Aber ich glaube, sie stellt es sich herrlich vor, die
Frau eines sich aufopfernden Menschen zu sein, der nichts weiter will, als im
Hinterland zu helfen und den Menschen das Leben zu retten — und der kleine
Dummkopf glaubt, ihn gefunden zu haben.«
Ich sagte ärgerlich: »Sie
sollte einen Missionar heiraten — einen, der auf irgendeine
Menschenfresserinsel gehen will.«
Aber all das geschah erst
später, als wir uns von Claudias dramatischer Abreise erholt hatten.
Im Moment schienen Bruder und
Schwester tief in den Anblick der Schafe versunken, von denen Claudia nichts
verstand und sich auch nicht dafür interessierte. Zum Glück kehrten sie auf
diese Weise der Straße den Rücken, so daß sie nicht merkten, wie ein Wagen um
die Ecke kam und vor unserem Tor bremste. Tony hatte es geschafft. Ich war
sicher, sie würden zum Wollschuppen fahren, wo sich Alister verstecken konnte,
bis seine frühere Frau verschwunden war. Aber zu meinem Schrecken machten Paul
und Claudia plötzlich kehrt und gingen auf den Wollschuppen zu. Dort war nun
nicht nur eine Zuflucht unmöglich, sondern von diesem Punkt konnten sie auch
herrlich das Haus überblicken.
Einen Augenblick lang schloß
ich die Augen und betete, daß sie ihre Meinung ändern und zum Haus zurückkommen
würden. Dann sah ich, was das schuldbewußte Paar zu tun gedachte. Alister hatte
den Wagen gewendet und war in ein dichtes Gebüsch am Straßenrand gefahren. Dort
wollte er offensichtlich auf der Lauer liegen, während Tony zurückkam, um sich
anständig von ihrer Mutter zu verabschieden. Es bestand nur die Möglichkeit,
daß Claudia Alister im Vorbeifahren erblickte; ich konnte nur hoffen, daß sie
sich vernünftig benehmen, einen höflichen Gruß austauschen und jeder seiner
Wege ziehen würde. Das könnten sie wirklich tun, und es wäre wirklich besser,
als wenn Alister versuchte, ins Haus zu schleichen und dabei Gefahr zu laufen,
daß Claudias Interesse für die Landwirtschaft plötzlich erlosch, sie sich
umdrehte und ihn erblickte.
Aber genau das hatte der dumme
Mann vor. Im nächsten Moment sah ich entsetzt, wie Tony aus dem Wagen sprang,
gefolgt von Alister. Sie überquerten beide tiefgebückt die Straße und schlichen
langsam die Auffahrt hinauf, duckten sich hinter der Hecke und wurden nur allzu
offensichtlich von albernem Gekicher geschüttelt. Soweit war ja alles gut, denn
die Hecke war dick und hoch, aber sie hörte ein paar Meter vor der Veranda auf,
und dann mußte ein freies Rasenstück überquert werden. Ich stand wie gelähmt
da, während Tony schnell über den Rasen huschte und bei mir auf der Treppe
landete. »Oh, guck mal. Ist er nicht unbezahlbar? Wie ein riesiger grauer
Hund«, flüsterte sie liebevoll.
Ich sah die Sache anders. Ich
war wütend, denn der dumme Alister kroch auf allen vieren über den Rasen, Paul
und Claudia waren im Stall, konnten sich jeden Moment umdrehen und ihn
erblicken.
Aber er kam durch. Als er die
erste Stufe erreichte, warf er einen wilden Blick über seine Schulter, sprang
auf die Füße und nahm die Treppe in zwei Sätzen. Genau in diesem Augenblick
drehten sich die Geschwister um und begannen auf das Haus zuzukommen. Hinter
mir hörte ich einen Knall, Alister schoß ohne ein Wort des Grußes oder
Weitere Kostenlose Bücher