Geliebtes Landleben
im Hinterland ganz besonders. Hier sind Menschen gestorben, weil es an ärztlicher Hilfe fehlte. Aber er ist sehr fähig, und ich glaube nicht, daß er sich für immer damit zufriedengeben wird«, und dann wurde mir bewußt, daß, wenn er Tony heiratete, das alberne kleine Mädchen genau das wollen würde — einen Landarzt, der sich für die Menschen aufopferte, dem weder Schwierigkeiten noch eine ausbleibende Beförderung etwas anhaben konnten. Wo würde sie ihn finden?
Claudia sah erleichtert aus und sagte freundlich: »Susan, du darfst nicht glauben, daß ich die Farmer unterschätze. Sie sind sehr nützlich, das Rückgrat des Landes und so weiter. Aber du mußt zugeben, daß es für eine Frau ein hartes Leben ist. Du und deine Freundin Larry, ihr habt alle möglichen schweren Zeiten durchgemacht, und du mußt dich oft nach einem leichteren Leben und nach einer ebenbürtigeren Gesellschaft gesehnt haben.«
Selbst wenn das gestimmt hätte, vor Claudia hätte ich es nie zugegeben, aber sie hatte es gut gemeint, darum sagte ich: »Es gibt Nachteile in jedem Leben, aber dieses gefällt Larry und mir, und wir lieben es. Ich glaube, Tony gefällt es auch. Mach dir keine Sorgen um sie, Claudia (als ob sie jemals eine so mütterliche Reue haben könnte!). Sie ist jetzt erwachsen, und sie begegnet allen möglichen Männern, wenn...«
Ich zögerte, und Claudia fuhr ruhig fort: »Wenn sie mit ihrem Vater reist. Ich bin sicher, da gibt es viel Abwechslung. Alister hatte immer den Geschmack eines Weltbürgers, aber das ist seine Sache... Übrigens, Susan, ich habe so viel von deiner Freundin Larry gehört, und Tony scheint sie sehr zu mögen. Ich würde sie eigentlich gerne kennenlernen.«
Eine Begegnung von Larry und Claudia hatte ich immer gefürchtet, und ich sagte hastig: »Sie hat im Moment schrecklich viel zu tun — eine ältliche Kusine ist bei ihr zu Besuch.«
Womit ich sagte, daß Miss Fletcher kränklich war und nicht ein äußerst aktiver und hilfreicher Gast, aber nicht um alles in der Welt hätte ich Larry auf Claudia losgelassen.
Es waren zwei schwierige Tage, und mir taten sowohl Mutter als auch Tochter leid. Es mußte der Beweis für ein absolutes Scheitern sein, wenn das eigene Kind einen weder liebte noch wollte; was Tony betraf, so weckte der Gedanke, daß sie nie die Zärtlichkeit einer Mutter gekannt hatte, in mir noch stärker den Wunsch, sie zu beschützen. Schließlich mußte sich Claudia damit zufriedengeben, daß Tony sie kurz in Melbourne besuchen würde, »wenn ich einmal irgendwann nicht soviel zu tun habe«. Claudia nahm Tonys Arbeit und Miss Adams absolute Abhängigkeit von ihr als Entschuldigung hin, ohne zu sagen, was sie wohl gedacht haben mußte, daß es ihr jedoch zweimal im Jahr gelang, sich von ihren dringenden Pflichten zu lösen, um mit ihrem geliebten Vater vierzehn Tage lang auf Reisen zu gehen.
Abgesehen von Tonys herausfordernder Erwähnung Alisters und meiner einen taktlosen Bemerkung wurde sein Name nicht mehr erwähnt, und als Tony einen Luftpostbrief von ihm bekam, wurde er schnell vor ihrer Mutter versteckt. Als sie mit mir allein war, sagte sie mit einem unterdrückten Kichern: »Susan, so ein Glück, daß Mutter morgen nach dem Mittagessen wegfährt, denn Vater ist nun endgültig fällig. Er schreibt aus Sydney, daß er in ein oder zwei Tagen hierher fliegt. Denk nur mal: Wie schrecklich, wenn sie sich treffen würden!«
»Unsinn«, sagte ich scharf, denn Tonys leichtfertige Auffassung über die Scheidung ihrer Eltern hatte mich schon immer geärgert. »Sie sind gebildete Menschen. Sie können sich treffen und höflich sein wie andere geschiedene Leute.«
»Aber das können sie nicht. Das ist es ja eben. Vater ist schon in Ordnung, aber irgend etwas an ihm scheint Mutter ganz verrückt zu machen. Sie sind einmal zusammengetroffen, kurz bevor Mutter den alten Macgregor heiratete, und es war eine reine Katastrophe. Mutter war so unhöflich, daß Vater auch seine gute Laune verlor, und es gab einen regelrechten Krach. Ich habe mich im Schlafzimmer versteckt.«
»Was für eine dumme Geschichte. Ich dachte, dein Vater wäre trotz seines roten Schopfes höflich, und Claudia ist immer sehr würdevoll. Außerdem fände ich es wirklich besser, du würdest deinen Stiefvater nicht Macgregor nennen. Es ist schlimm genug, einen solchen Namen zu haben, ohne daß ein freches Mädchen einen noch hinter dem Rücken so nennt. Übrigens, wie sprichst du ihn eigentlich an?«
»Na ja,
Weitere Kostenlose Bücher