Geliebtes Landleben
Einen Augenblick lang dachte ich, Christopher hätte recht gehabt.
Aber das war natürlich Unsinn. Christina war vom Pferd gefallen und hatte das Bewußtsein verloren. Sie öffnete schon wieder die Augen, als Tony und Oliver herbeigeeilt kamen. Sam trug seine kleine Tochter ins Haus, und Larry begann sehr blaß, aber bewußt ruhig, ihren Kopf mit kaltem Wasser zu behandeln. Die Diagnose dauerte nur eine Minute. Christina hatte nichts gebrochen, aber sie war bewußtlos gewesen, und wahrscheinlich hatte sie eine Gehirnerschütterung. Sie mußte eine Weile ruhig im Bett bleiben, es gab keinen Grund zur Panik.
Irgendwie kehrten wir zu unserem friedlichen Neujahrstag zurück und machten schnell Tee, um die Geister wieder zu beleben. Als wir allein waren, sprach Larry aus, was mich die ganze Zeit bewegt hatte.
»Susan, wie konnte das nur passieren? Ich habe Christopher gefragt, aber er war verschlossen und barsch. Er sagte, jeder würde mal ’runterfallen, und vermutlich sei Jill gestolpert. Aber wie ist das möglich auf einer absolut ebenen Koppel, und wie hätte Christina selbst dann ’runterfallen sollen?«
»Christopher hat vielleicht recht. Sie kann gestolpert sein.«
»Das tut sie nie, und ich habe die Zwillinge einzeln gefragt, was passiert ist. Sie haben beide gesagt, daß Christina Jill galoppieren ließ und dann ’runtersprang. Aber warum? Was sollte so ein wahnsinniges Spiel? Aber Mark hat dasselbe erzählt. >Wir haben nicht gespielt. Jill ist schnell galoppiert, und plötzlich ist Christina ’runtergesprungen und hart auf dem Boden aufgekommen.<«
»Das kann man wohl sagen, das arme Kind.«
Die Kinder gingen mit den Pferden normalerweise vernünftig um; so etwas Wahnsinniges hätte sie nicht getan. Ich sagte nichts von meinem Verdacht; es war Unsinn und würde Larry nur aufregen.
Aber Larry selbst stolperte über die Wahrheit. Sie war in das Zimmer gegangen, wo Christopher Christina für ein paar Minuten besuchen durfte, und sie kam mit bestürztem Gesicht zurück und winkte Kate und mich in die Küche.
»Susan, weißt du, was ich Christopher sagen hörte, als ich in das Zimmer kam? >Du hast ja dein Bestes getan, aber eine Gehirnerschütterung nützt nichts. Beim nächstenmal müssen wir uns etwas brechen. Diesmal bin ich dran.<«
Wir starrten einander an und ich merkte, daß Christinas Einfall diesmal Wahrheit geworden war. Kate ergriff jetzt entschlossen das Wort: »Ihr seht, was die Schule aus ihnen macht! Ich weiß, es ist sehr ungezogen, aber sie sind entschlossen alles zu tun, um nicht hingehen zu müssen. Weil ihr die Kleider gekauft habt, haben sie gemerkt, daß sie wirklich von zu Hause weggeschickt werden, die armen Kleinen.«
Larry und ich schwiegen einen Moment, dann sagte sie ruhig: »Es ist wirklich gräßlich, aber was können wir tun? Sie müssen gehen.«
»Warum? Warum muß man zwei kleine Kinder von zu Hause losreißen und sie in Internate einschließen?«
In ihrem Mund klang es wie ein richtiger Vorwurf, als hätten wir uns absichtlich der Grausamkeit schuldig gemacht. Das konnte ich nicht verkraften und platzte böse los: »Was hätten wir sonst tun können? So geht es nicht weiter. Sie waren in letzter Zeit in der Schule schrecklich ungezogen und ungehorsam. Mr. Marshall hat es uns gesagt und er will, daß sie gehen. Natürlich interessiert er sich überhaupt nicht für sie und er wird bleiben, weil es seiner Frau gut bekommt. Und selbst wenn er geht, würde etwas Besseres nachkommen? Gute Lehrer kommen nicht hierher. Sie sind ehrgeizig.« Wie gute Ärzte, dachte ich verzweifelt. Für mich wurde das Leben zu kompliziert, und es war Neujahr.
Tante Kate sagte ruhig: »Ihr könnt etwas anderes tun.«
Larry wurde ungeduldig. »Oh, Tante Kate, jetzt fang nicht wieder damit an, daß Lernen unwichtig ist, daß sie aus ihrer Ungezogenheit herauswachsen und wir sie noch ein oder zwei Jahre wild herumlaufen lassen sollen. Das können wir nicht tun. Darin sind wir uns einig.«
»Ich wünschte, ihr würdet mir nicht einfach irgend etwas in den Mund legen, dazu noch so etwas Albernes. Natürlich ist Lernen wichtig, allerdings nicht so wichtig, wie manche Leute meinen. Aber wichtig ist, daß man lernt, mit allen möglichen Menschen zusammenzuleben, und das haben eure Kinder nicht gelernt. Sie haben wie in einem Treibhaus gelebt.«
»So ein Unsinn!« Jetzt konnte ich mich nicht beherrschen. »Nichts könnte einem Treibhaus weniger ähnlich sein. Vielleicht laufen sie wild herum, aber
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