Geliebtes Landleben
sie sind abgehärtet.«
»Susan, du bist genauso blind wie Larry. Ich meine, sie haben nicht gelernt, sich unter andere Leute zu mischen. O ja, sie mögen die Maori-Kinder in der Schule, sie haben keine Rassenvorurteile, Gott sei Dank. Aber seht euch nur euren schönen ausgewählten Zirkel an, den Oberst und Miss Adams, eure drei Haushalte, Julian und seine liebe Frau, wenn sie hier sind, und Peter Anstruther. Alle vom selben Schlag. Sehr nette Leute, aber nicht dazu geschaffen, den Kindern beizubringen, wie man mit anderen auskommt. Sie müssen Menschen kennenlernen, die nicht so nett sind.«
»Das werden sie wahrscheinlich, wenn sie ins Internat kommen. Ich habe dort viele nette Mädchen kennengelernt, aber in meinem erstklassigen Internat gab es auch ein paar absolut verdorbene«, sagte Larry böse.
»Aber warum schickt ihr sie in Internate? Sie sind noch zu jung. Das ist eine zu große Veränderung, Es schadet ihnen in gewisser Weise. Sie haben sich schon verändert und sind zu kleinen Ungeheuern geworden. Ihr habt kein Recht, euren Kindern das anzutun.«
Larry hatte einen roten Kopf bekommen, und ich konnte sehen, daß sie sich nur mit Mühe beherrschte, aber sie sagte noch ziemlich ruhig: »Willst du uns dann vielleicht in deiner unendlichen Weisheit erzählen, was wir tun sollen? Was können wir tun?... Wir leben im Hinterland. Wir müssen sie in Internate schicken. Wir haben keine gute Schule um die Ecke und nicht so viele nette Leute in der nächsten Straße.«
»Nein«, sagte Miss Fletcher ruhig. »Ich weiß, daß ihr das nicht habt. Aber ich.«
11
Wir starrten einander nur an und fragten uns, ob wir richtig gehört hatten. Sie fuhr fort: »Guckt mich nicht so an. Kommt, setzt euch und hört mir vernünftig zu. Du mußt nicht ausgerechnet jetzt gehen, Susan, und wenn du gehst, kannst du alles noch mit Paul besprechen. Es hat keine Eile. Eure Anzahlung im Internat verfällt ohnehin.« Das schien Larry und mir so unwichtig, daß wir zu Miss Fletchers Ärger ziemlich hysterisch zu lachen begannen. Wir folgten ihr in das leere Wohnzimmer und hörten ihr stumm zu. Ihre Stunde war gekommen, und wir spielten nur eine ganz unbedeutende Rolle.
»Ich würde die Kinder nehmen. Das heißt von montags bis freitags. An den Wochenenden müßtet ihr sie abholen. Sie könnten bei mir um die Ecke zur Schule gehen.«
Larry und ich tauschten einen Blick. Wir hatten denselben Gedanken. Tante Kate hatte das alles vorausbedacht, als sie das Haus kaufte. Keine von uns beiden war natürlich so dumm, darauf hinzuweisen. Nach einer langen Pause sagte ich: »Das wäre einfach herrlich. Aber wie ist es mit dir? Kannst du es wirklich machen? Ist dir das nicht zuviel Arbeit?«
»Arbeit? Unsinn. Ich habe mein Leben lang hart gearbeitet, und wenn es mir zuviel ist, zwei Kinder fünf Tage in der Woche zu haben, die noch dazu den ganzen Tag in der Schule sind, dann gehe ich am besten auf dem schnellsten Wege in ein Altersheim.«
»Aber sie sind so ungezogen«, sagte Larry, die ausnahmsweise einmal völlig erstaunt war.
»Nur weil sie unglücklich sind. Oh, ich will nicht leugnen, daß sie auch so immer lebhaft und zu dummen Streichen aufgelegt sind, aber es ist nicht so schlimm, als daß ich nicht damit zurechtkommen könnte.«
»Sie würden dich nicht fertig machen?« stotterte ich, und Kate fuhr uns barsch an.
»Sei nicht albern, Susan. Ich habe noch gesunden Menschenverstand, ihr vielleicht nicht. Seht ihr, ich bin keine Mutter. Meine Generation hat sich nicht von anderen fertigmachen lassen, nicht einmal von schwierigen alten Leuten. Es ist unwahrscheinlich, daß ich zusammenklappe, weil ich für zwei Kinder sorgen muß.«
»Aber das ist nicht richtig«, ereiferte sich Larry. »Ich meine, es dir aufzubürden. Schließlich ist das unsere Aufgabe.«
»Es wird euch mit größerer Wahrscheinlichkeit ins Grab bringen, wenn es so weitergeht. Nein, Larry, sie sind keine Belastung für mich. Vielleicht ist das die Meinung einer alten Jungfer, aber mir scheint es, als seien Kinder nur eine Belastung für die eigenen Eltern.«
Über diese scharfsinnige Bemerkung konnten wir nur lächeln. Tante Kate fuhr nun freundlicher fort. »Die Kinder sind immer bei den Menschen am ungezogensten, die sie am liebsten mögen.
Bei mir werden sie schon anständig sein, wahrscheinlich, weil ich ihnen gleichgültiger bin.«
Ihre Stimme war traurig, und ich fing zusammen mit Larry an zu sprechen. Larry sagte: »Sie sind dir gegenüber
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