Geliebtes Monster
Monstrum oder wer auch immer hinter ihm steckte, hatte zur Abrechnung angesetzt. Das konnte mir nicht gefallen.
Ich betrachtete Tabeas Gesicht. Den kleinen Mund, die kleine Nase, die hohe Stirn, die Frisur, das alles kannte ich vom Bildschirm her. Da war Tabea agil, nun lag sie auf ihrem Bett, verletzt mit einem Messer. So sah die Wunde jedenfalls aus.
»Hoffentlich sind die bald hier«, sagte Suko leise.
»Druck genug habe ich gemacht.«
Sie kamen. Endlich. Der Sirenenklang wehte dem Wagen voraus und durch das offene Schlafzimmerfenster herein. Ich ließ Suko bei der Schwerverletzten und ging zur Tür, die durch unseren Druck nicht zu Boden gefallen war und noch schief auf dem Boden stand. Zusätzlich wurde sie von der Wand gehalten.
Hausbewohner standen auch in der Nähe. Auf dem nächsten Treppenabsatz hielt sich eine Frau auf, die ein kleines Kind auf dem Arm trug. Sie schaute mich aus ängstlichen Augen an, sah aber auch, daß ich abwinkte und ihr dann erklärte, daß es nichts mehr zu sehen gab.
Außerdem erfuhr sie, wer ich war.
Die Retter stürmten die Treppe hoch. Zwei Sanitäter mir roten Gesichtern. Im Schlepptau den Arzt. Nein, kein Arzt, es war eine Ärztin.
Wegen ihrer kurzen Haare hatte ich sie zuerst für einen Mann gehalten.
Die Frau blickte mich nur kurz an, um anschließend der Bewegung meiner Hand zu folgen, denn ich deutete in die Wohnung hinein.
»Es ist wohl ein Messerstich gewesen!« rief ich ihr zu, nicht sicher, ob sie mich auch verstanden hatte.
Dann lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Flurwand. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich mich am liebsten selbst hätte in den Hintern treten können. Ich fragte mich, was wir falsch gemacht hatten.
Wahrscheinlich nichts, es war nur falsch gelaufen, immer dicht an uns vorbei. Wir jagten hinterher, und die andere Seite schaffte es ausgezeichnet, sich in uns hineinzuversetzen, deshalb war sie uns auch voraus.
Auch Suko kam jetzt zu mir. Er verließ die Wohnung mit vorsichtigen Schritten, und sein Gesicht sah nicht eben glücklich aus, als er sich neben mich stellte.
»Wie sieht es aus?« fragte ich ihn.
»Ernst, John. Meint zumindest die Ärztin. Es ist nicht sicher, ob Tabea Torny durchkommt.«
»War es ein Messer?«
»Möglich.«
»Dann hat sich das Monster mit einem Messer bewaffnet. Verdammt, das paßt alles nicht zusammen!«
»Und du hast wirklich nichts gesehen, als du aus dem Fenster geschaut hast?«
»Nein.«
»Dann wissen wir nicht, wie er aussieht.«
»Mehr wie Dr. Hyde.«
»Meinst du, daß die Verwandlung erst in der Nacht oder bei Einbruch der Dunkelheit eintritt?«
»Das könnte ich mir zumindest vorstellen. Tagsüber als monströse Gestalt umherzulaufen, wäre zu auffällig. So etwas würde nur Ärger geben, Suko. Den und auch Aufsehen wollen ja wohl beide vermeiden. Die arbeiten und killen heimlich.«
»Ja, leider«, murmelte er.
Aus der Wohnung hörten wir Stimmen. Dann erschienen die jungen Männer mit der Trage. Tabea Torny lag auf ihr. Noch immer bleich wie die Wand.
Tabea war an einen Tropf angeschlossen worden, den die Ärztin in der Hand hielt. Uns schaute die Frau mit den kurzen Haaren nicht an, ihr Blick galt einzig und allein der Schwerverletzten.
Zum Glück gab es in diesem Haus einen Fahrstuhl. Die Metalltür schwang auf. Noch einmal wurden die beiden Helfer von der Ärztin gebeten, vorsichtig zu sein, und ich nutzte die letzte Chance, um ihr eine Frage zu stellen.
»Hat sie noch Chancen?«
»Ich weiß es nicht. – Sie haben uns alarmiert?«
»Ja, mein Name ist John Sinclair. Ich bin Yard-Beamter.«
»Gut zu wissen, falls wir Sie noch brauchen – für das Protokoll. Wir werden uns dann melden.«
Bevor ich noch eine Antwort geben konnte, fiel die Tür zu. Wir konnten der jungen Frau nur die Daumen drücken, daß sie es schaffte.
Wir gingen noch einmal zurück in die Wohnung und durchsuchten sie.
Die Zimmer waren klein, aber hübsch eingerichtet. Im Schlafzimmer lag noch die Decke mit den Blutflecken darauf. Es war ein makabres Bild, diese Farbe zwischen all dem Weiß zu sehen.
Wir suchten noch nach Spuren, aber der Eindringling war so schlau gewesen, keine zu hinterlassen. Vielleicht Fingerabdrücke, aber um dieses Problem mußten sich andere kümmern. Deshalb rief ich beim Yard an und forderte zwei Spezialisten an.
Begeistert waren die Kollegen nicht, aber sie versprachen, sofort loszufahren.
»Soll ich dich jetzt fragen, wie es weitergeht?«
»Lieber nicht.« Ich
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