Geliehene Träume ROTE LATERNE - Band 5 (Rote Laterne Roman) (German Edition)
sagen.«
»Nicht jetzt«, bat sie. »Ich habe keine Zeit. Ich bin mit Mario verabredet.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Ronny ein wenig bitter. »Du hast in der vergangenen Nacht mit ihm geschlafen, nicht wahr?«
»Na, hör mal!«, sagte Lilly entrüstet und stemmte ihre Hände in die Hüften. »Bin ich dir vielleicht Rechenschaft schuldig?«
»Nein, Lilly, das bist du nicht. Aber es tut mir weh.«
»Und mir tut es leid, dass es dir wehtut. Aber es ist nun einmal so im Leben, dass man sich etwas wie Liebe und Gefühl nicht aussuchen kann, begreif das doch! Ich bin nun mal in den Jungen verknallt. Augenblicklich lässt sich das einfach nicht ändern.«
»Und ich hätte eine so schöne Nachricht für dich gehabt!«
»Entweder sag mir's gleich und spann mich nicht so auf die Folter, oder aber ...«
»Nein«, sagte er ein wenig verstockt. »Jetzt mag ich auch nicht mehr. Geh du nur zu Mario!«
Sie holte ein Handtuch aus dem Schrank und trällerte ein fröhliches Lied vor sich hin. Plötzlich stutzte sie.
»Du, sag mal«, sagte sie, indem sie sich umdrehte, »hast du meinen Reisepass gesehen?«
»Ich? Wieso sollte ich deinen Pass gesehen haben? Achte doch gefälligst darauf, wohin du deine Sachen räumst, Lilly. Nein, ich habe ihn nicht gesehen.«
»Aber er lag hier unter der Wäsche. Gestern Morgen lag er noch hier. Ich weiß es ganz genau.«
»Gestern habe ich mir auch ein Handtuch herausgenommen. Kann vielleicht sein, dass er nach hinten gerutscht ist.«
»Na ja«, sagte Lilly leichthin. »Das Haus verliert ja nichts. Also, ich gehe dann. Warte nicht auf mich. Vielleicht werde ich mit Mario in der Snackbar eine Kleinigkeit essen. Es ist ja heute ein so herrlicher Tag, und wir wollen ihn genießen.«
»Dann genieß mal schön«, sagte Ronny verstimmt. »Ich wünsche dir trotz allem einen angenehmen Nachmittag, Fräulein Schmitt.«
»Sei nicht so zynisch«, bat sie ihn. »Wenn schon Ferien, dann total.«
Und draußen war sie. Sie warf das Handtuch über ihre Schulter und schlenderte an der Reling entlang. Einige Männer blieben stehen und warfen ihr bewundernde Blicke zu.
»Komm, Ottokar«, sagte eine Frau zu ihrem Mann, »das ist nichts für dich.«
»Ich guck doch bloß, Amalie«, meinte der Mann mit der Glatze, der offensichtlich aus dem Kölner Raum zu stammen schien.
»Dat Gucken ist schon zuviel«, sagte Amalie, nahm ihn an der Hand und zog ihn weg.
Lilly lächelte amüsiert. Dann ging sie weiter. Ach ja, es war ein herrliches Gefühl, einmal aus der alten Haut schlüpfen zu können. Nun war sie ein ganz normales Mädchen, das seiner großen Liebe begegnet war. Über das Später machte sich Lilly keine Gedanken. Sie lebte jetzt, hier und heute, wollte diese wenigen glücklichen Stunden genießen, die das Leben ihr bot. Ja, sie sah es als ein Geschenk an. Voller Grausen dachte sie an die kommende Zeit. Ob sie wohl jemals wieder als Prostituierte würde arbeiten müssen? Immer deutlicher war der Traum von Ehe, Familie und Kindern in den Vordergrund getreten. Ja, Lilly bildete sich sogar ein, dass Mario ihr vielleicht einen Heiratsantrag machte ...
Lilly war auf dem Sonnendeck angekommen. Hier wurde gelacht, geflirtet und an kühlen Drinks genippt. Es war jener Hauch des Luxus, den Lilly besonders schätzte, weil sie ihn noch nie so richtig hatte genießen dürfen.
Suchend blickte das Mädchen sich um. Mario hatte ihr versichert, dass er direkt am Pool zwei Liegen reservieren würde. Orangerote Handtücher wollte er als Zeichen darauflegen. Schließlich erspähte Lilly diese Zeichen. Mario war jedoch noch nicht da. Lilly setzte sich.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken servieren, gnädiges Fräulein?«
Lilly hob den Kopf und blickte in das gebräunte, sympathische Gesicht des Poolstewards. Er war ganz in Weiß gekleidet und beugte sich ein wenig zu ihr herab.
»O ja, bringen Sie mir bitte Champagner«, sagte Lilly.
»Sehr gern«, bestätigte der Steward, dienerte und entfernte sich. Wenige Minuten später war er mit einem Tablett zurück. In einem Eiskübel steckte eine Flasche Champagner. Er stellte das Ganze auf dem Tischchen neben den beiden Liegen ab.
»Wohl bekomm's«, sagte er und zog sich diskret zurück.
»Mensch, Lilly, ist das ein Leben«, flüsterte das Mädchen zu sich selbst, dann schenkte es sich Champagner ein und hielt das Glas gegen das Licht. Es war immer wieder ein berückendes Gefühl, diese Perlen steigen zu sehen.Plötzlich stand Mario vor ihr. Aber Lilly hatte auf
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