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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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natürlich wäre das auch eine ausgezeichnete Tarnung, und wie sie aus ihrer täglichen Erfahrung wußte, finanzierte das KGB
    Tausende von solchen Geschäften als Tarnung für Agenten.
    »Ja, schade, daß niemand sein Potential erkannte und ihm davon abriet. Denn natürlich können Parteigenossen nicht für wichtige Aufgaben verwendet werden.«
    »Irgendwelche Daten?«
    »Nichts seit Juli 1978. Aber erinnern Sie sich, wir haben ja beide erst jüngst wieder mal gesehen, wie lange es manchmal dauert, bis Nachträge zu den Akten aufgearbeitet sind.« Ihr Kopf begann zu klopfen, und Fiona fühlte sich krank. »Was hat er für uns gemacht?«
    »Solche Einzelheiten sind bei uns nicht aktenkundig. Der Londoner Resident hätte alles Diesbezügliche direkt nach Moskau gemeldet. Ich vermute, es wird sich um Überwachung, das Besorgen von Unterkunft oder von Referenzen gehandelt haben. Mit derartigen Aufgaben werden solche Leute meist betraut.«
    Das war es also: Juli 1978, einen Monat vor der
    »zufälligen« Begegnung auf der Waterloo-Station. Sie hatte Martin vergrault, und so hatte Moskau einfach einen anderen Beobachter auf sie angesetzt. Ja, die Zeit hätte ausgereicht, Harry zu instruieren und vorzubereiten. Harry Kennedy war also von Moskau beauftragt worden, sie zu überprüfen. War das auch die Rolle, die er in Berlin spielte? »Nichts seit 1978?«
    »Soll ich in Moskau anfragen, ob er noch im Einsatz ist?«
    »Nein, Herr Renn, ich glaube, das wäre unklug.« Er sah sie an und sah, daß ihr nicht gut war.

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    »Wie Sie meinen, Frau Direktor.« Er nahm seine Papiere vom Tisch und verließ taktvoll den Raum.
    Sie schluckte drei Aspirin-Tabletten. Überall hatte sie welche zur Hand, aber Aspirin leistete selten mehr als eine Verminderung der Intensität des Schmerzes. Sie hielt sich die Hände über die Augen. Wenn sie sich auf alte Erinnerungen konzentrierte, überstand sie manchmal diese Attacken durch reine Willenskraft. Bilder ihres Mannes und ihrer Kinder flimmerten vor ihrem inneren Auge so verschwommen und holprig wie zerkratzte alte Filmstreifen. Lange saß sie ganz still, so wie jemand sich sammeln würde, ehe er unverletzt aus einem zu Schrott gefahrenen Auto aussteigt.

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21
    Berlin, März 1989
    Der Director-General – rastlos und fordernd – machte einen seiner inoffiziellen Blitzbesuche in Berlin. Frank Harrington, der Berliner Resident, fluchte, weil er deshalb von heute auf morgen sein Programm ändern mußte, aber so war der Alte eben. Er war immer so gewesen, und neuerdings wurde es noch schlimmer. Nicht nur hatte er plötzliche ungelegene Eingebungen, auf die jeder sich, ohne viel zu fragen, einzustellen hatte, sondern Sir Henry war auch ein schrecklicher Zeitverschwender. In dem bequemsten Sessel sitzend, ein Glas Jahrgangs-Hine in der Hand, pflegte Sir Henry Clevemore zu reden und zu reden und warf nur ab und zu ein, daß er nun wirklich gehen müsse, als hielte ihn jemand gegen seinen Willen.
    So war es an diesem Nachmittag gewesen. Aus dem Büro des D.G. war ein »deutsches Mittagessen« bestellt worden.
    Tarrant, der alte Diener, der Frank schon länger diente, als irgend jemand zurückdenken konnte, bereitete alles vor. Sie aßen im Speisezimmer der schönen alten Grunewaldvilla, die dem Berliner Residenten als Dienstwohnung zur Verfügung stand. Franks Köchin wußte einen Hasenpfeffer zu machen, der über die Jahre berühmt geworden war, und das Hausmädchen trug ihre beste gestärkte Schürze und sogar ein Spitzenhäubchen. Das alte Tafelsilber war geputzt und das Meißner Porzellan aus der Anrichte geholt worden. Die Tafel hatte wirklich ganz fabelhaft ausgesehen. Die diesbezügliche Bemerkung des D.G. hatte Tarrant gehört, und er erlaubte sich ein selbstzufriedenes kleines Lächeln. Nach dem Essen waren die beiden Männer zum Kaffee ins Wohnzimmer gegangen.
    Das war inzwischen schon Stunden her, und noch immer machte der D.G. keine Miene, sich zu verabschieden. Frank wünschte, er hätte sich nach dem Rückflug erkundigt, dies jetzt

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    zu tun würde unhöflich scheinen. So nickte er dem alten Mann zu und hörte ihn an und wünschte sich nichts sehnlicher, als sich eine Pfeife anzünden zu können. Der Alte haßte Pfeifentabak, insbesondere die Marke, die Frank rauchte, und Frank wußte, daß es nicht in Frage kam. »Nun, ich muß mich auf den Weg machen«, sagte der D.G. wie schon so viele Male an diesem Nachmittag, aber jetzt machte er Miene, sich tatsächlich in

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