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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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geschehen, wenn wir es verhindern können«, sagte Fiona. »Aber für mein Zögern werden Sie gewiß Verständnis haben, Herr Renn.«
    »Sie gehen also?« fragte Renn.
    »Ich glaube nicht«, sagte Fiona. Sie wollte gehen; ein Ausflug in den Westen – nur um vierundzwanzig Stunden dessen Luft zu atmen – würde ihr neue Lebenskraft geben.
    »Wenn Sie die Verhaftung fürchten, kann ich Ihnen Diplomatenpapiere besorgen.«

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    »Nein.«
    »Wer kommt sonst in Frage?«
    Sie sah ihn an. Sie hatte darüber nachgedacht, und es hatte sie gereizt, aber nun, da Renn die Frage offen stellte, hatte sie keine Antwort parat. »Ich werde die Normannenstraße verständigen müssen. Die sollen das entscheiden.«
    Renn nahm von Fionas Schreibtisch eine
    Kunststoffschachtel mit weichen Disketten, die dort auf den Büroboten wartete, und spielte damit. »Davon würde ich abraten, Frau Direktor«, sagte Renn mit abgewandtem Blick und rot im Gesicht, angesichts der Peinlichkeit einer so offenen Rebellion.
    »Nur sicherheitshalber. Technisch sind wir ihnen doch unterstellt.«
    »Frau Direktor, wenn Sie Instruktionen in der
    Normannenstraße einholen und noch dazu in einer rein operativen Angelegenheit, würden Sie einen sehr folgenschweren Präzedenzfall schaffen. Einen höchst gefährlichen Präzedenzfall.« Er schüttelte die Disketten in der Schachtel. Sie klapperten. »Wie immer nun die Karrieren von Oberst Moskwin und Major Stinnes weitergehen mögen, wird doch, hoffe ich, diese Abteilung weiterhin so funktionieren wie während der vergangenen zwölf Jahre oder noch länger. Wenn Sie aber eine Genehmigung für etwas so Normales wie eine Reise nach Holland in der Normannenstraße einholen, unterstellen Sie uns praktisch deren Autorität. Was würde dann in Zukunft geschehen? Niemand hier wird mehr so verhältnismäßig unabhängig seine Arbeit machen können wie jetzt. Wir könnten praktisch gleich den Laden hier dichtmachen und in der Normannenstraße zum Dienst gehen.« Sie nahm ihm die Schachtel mit Disketten aus der Hand und stellte sie wieder auf den Tisch. Dann sah sie auf ihren Notizblock hinab, als wende sie sich wieder ihrer Arbeit zu. »Das würde ich nicht wollen, Herr Renn. Sie haben mir ja schon erzählt, wie Sie das

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    Gedränge auf dem U-Bahnhof Magdalenenstraße hassen.«
    Hubert Renn wurde steif, und er preßte die Lippen zusammen. Inzwischen hätte Fiona schon gelernt haben sollen, daß der spaßige Ton, der in englischen und amerikanischen Büros gang und gäbe ist, in Deutschland selten gut ankommt.
    »Aber Frau Direktor …«
    »Nur ein Spaß, ein alberner Spaß«, sagte Fiona. »Ich werde natürlich Ihren Rat befolgen, Herr Renn.«
    »Soll ich Ihre Papiere vorbereiten?«
    »Ja, ich fahre.« Sie sah zu, wie er die Arbeit, die ihn beschäftigt hatte, zusammenlegte. Hubert Renn war, obwohl er gern das Gegenteil behauptete, eine komplexe Persönlichkeit.
    Sie kam noch immer nicht klar damit, wie er es schaffte, seine antirussischen Vorurteile mit unkritischer Unterwerfung unter Marx und dessen sämtliche Werke zu verbinden. War Renns Empfehlung – Kompetenzen in Anspruch zu nehmen, auf die ihre Stellung ihr eigentlich keinen Anspruch gab, und sich kraft dieser eine Auslandsreise zu gestatten – der Köder in irgendeiner neuen ekligen Falle, die ihre Feinde ihr stellten?
    Sie glaubte es nicht, aber es gab keine Gewißheit. Vorsichtig, Stefan! Niemand konnte sich auf nichts vollkommen verlassen hier. Das war das Wichtigste, was sie gelernt hatte. Sie stand auf. »Und dann ist da noch die Sache mit dem Arzt an der Charite.«
    »Ja, Frau Direktor. Diese Sachen sind immer sehr zeitraubend. Ich habe Ihnen eine Notiz auf den Schreibtisch gelegt.«
    »Die Notiz sagt nur, daß alles in Ordnung ist.« Renn trat neben sie und sagte: »Ja, gute Nachrichten, Frau Direktor. Herr Dr. Kennedy ist vollkommen unbedenklich. Besser als das: ein Genosse. Wir haben ihn mit ein paar kleinen Aufgaben in London beschäftigt. Wahrscheinlich hätte man ihm auch wichtigere gegeben, wenn er nicht schon als Student der Partei beigetreten wäre.«

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    Fiona wurde übel. Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl. Für einen Augenblick blieb ihr die Luft weg. Dann gelang es ihr zu murmeln: »Der Kommunistischen Partei?« Gott sei Dank, daß sie sich Kennedy niemals anvertraut hatte. Mehr als einmal war sie versucht gewesen. Er schien ein so überzeugter Kapitalist zu sein mit seinen Flugzeugverkäufen und -lieferungen, aber

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