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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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der Auffahrt. Er ging nicht gleich ins Haus zurück, er sah dem Wagen nach, bis er an der Biegung der Auffahrt verschwand.
    Sir Henry rieb sich energisch die Hände, als er kehrtmachte und ins Haus ging. Es war alles gutgegangen. Es würde natürlich noch zäh verhandelt werden müssen, ehe das Projekt genehmigt wurde, aber zähe Verhandlungen waren von jeher Sir Henrys Stärke. Bret Rensselaer konnte es schaffen, wenn irgend jemand es konnte. Die Pläne waren überzeugend. Auf diese Weise mußte die Deutsche Demokratische Republik angepackt werden. Und es war Brets Idee, Brets Baby. Bret war genau der Mann dafür: Verschwiegenheit, Besessenheit, Patriotismus, Einfallsreichtum und Schlagfertigkeit. Sofort hatte er begriffen, daß er Samson nicht die Leitung der Deutschland-Abteilung geben konnte, wenn die Desertion seiner Frau vorgesehen war. Das wäre denn doch ein bißchen zu dick gewesen. Ja, Bret würde die Sache machen.
    Weshalb also hatte der Director-General dennoch Vorbehalte gegen das Projekt, das er in Gang gesetzt hatte?
    Weil Bret Rensselaer so verdammt tüchtig war. Gab man Bret einen Befehl, würde er ihn ohne Rücksicht auf Verluste ausführen. Diese Hartnäckigkeit hatte der D.G. schon gelegentlich bei den Söhnen reicher Männer bemerkt.
    Überkompensation oder Schuldgefühle oder so was. Der D.G.
    fröstelte. Es war eine kalte Nacht.
    Als der Wagen auf die Landstraße einbog, ließ sich Bret Rensselaer in das weiche Leder sinken und schloß die Augen, um klarer denken zu können. So hatte also Mrs. Samson die Rolle einer Doppelagentin schon seit wer weiß wie vielen

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    Jahren gespielt, und niemand hatte auch nur eine Ahnung davon gehabt. Konnte es wahr sein? Es war vollkommen unglaublich, aber er glaubte es. Mrs. Samson traute er absolut alles zu. Fiona Samson war die strahlendste und wunderbarste Frau auf der ganzen weiten Welt. Er war insgeheim verliebt in sie, seitdem er ihr zum ersten Mal begegnet war.

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4
    Kent, England, März 1978
    »Wir leben in einer Gesellschaft voller vermeidbarer Unruhen, vermeidbarer Krankheiten, vermeidbarer Schmerzen, voller Härte und dummer, unabsichtlicher Grausamkeiten.« Sein Tonfall war walisisch. Er hielt inne. Fiona sagte nichts. »Das sind nicht meine Worte, sondern die Worte von H. G. Wells.«
    Er saß am Fenster. Der Kanarienvogel im Käfig über seinem Kopf schien zu schlafen. Es war schon fast April. Das Tageslicht schwand rasch. Die Kinder, die im Garten nebenan spielten, wurden ins Haus gerufen, Zeit zum Schlafengehen, nur die unruhigsten Vögel regten sich noch in den Bäumen.
    Das Meer, unsichtbar jenseits der Bodenwelle, war schwach zu hören. Der Mann namens Martin Euan Pryce-Hughes war ein Profil vor den billigen Netzgardinen. Sein fast vollkommen weißes Haar, lang und an den Enden leicht wellig, rahmte den Kopf wie ein Helm. Nur wenn er an der gebogenen Pfeife zog, leuchtete sein altes, faltiges Gesicht auf.
    »Irgendwie kamen mir die Worte gleich bekannt vor«, sagte Fiona Samson.
    »Die Fabier waren feine Leute. Wells, der Theoretiker, der große George Bernhard! … Die Webbs, Gott segne ihr Andenken. Laski und Tawney. Mein Vater hat sie alle gekannt.
    Ich erinnere mich noch an viele, die bei uns zu Hause ein und aus gingen. Träumer, natürlich. Sie dachten, daß Schriftsteller und Dichter und Flugschriften die Welt verändern könnten.«
    Ohne Fiona anzusehen, belächelte er diese Vorstellung, und aus seinem Ton konnte sie die Verachtung heraushören. Seine Stimme war leise und angenehm, mit dem vollen Klang der walisischen Täler. Es war der gleiche Tonfall, den sie in der Stimme seiner Nichte Dilwys gehört hatte, die in Oxford ihre Zimmerkameradin gewesen war. Das Department hatte sie angewiesen, diese Freundschaft zu pflegen, und durch Dilwys

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    hatte sie Martin kennengelernt.
    Auf dem Bücherregal stand ein Foto von Martins Vater. Sie konnte verstehen, weshalb sich die Frauen um ihn gerissen hatten. Vielleicht war ja auch freie Liebe eine Forderung jener Philosophie der Fabier, der er sich in seiner Jugend so bedingungslos ergeben hatte. War der sprichwörtliche Apfel auch in diesem Fall nicht weit vom Stamm gefallen? Auch in Martin steckte eine heftige und rücksichtslose
    Entschlossenheit. Und wenn er sich die Mühe gab, brachte er eine sehr anständige Imitation des Charmes zustande, für den sein Vater berühmt gewesen war. Es war eine Kombination, die beide Männer für junge Frauen unwiderstehlich machte.
    Und

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