Gelinkt
würde irgendwas mit ihrem Haar machen und sich ein Bügeleisen borgen müssen für ihr Kleid. Tessa und die anderen Frauen waren mutmaßlich schon den ganzen Nachmittag über damit beschäftigt, sich fürs Abendessen feinzumachen. Sie sah auf ihre Uhr und den Rückweg. Selbst
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die freundlichen, sanft wogenden Cotswolds konnten feindselig werden, wenn die Dunkelheit hereinbrach.
»Du hast bezaubernd ausgesehen gestern abend, meine Liebe«, sagte Onkel Silas.
»Danke, Silas. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich kann zur Zeit bei diesen flotten, witzigen Tischgesprächen nicht mithalten.«
»Und warum solltest du das wollen? Ich mag dich, wenn du ernst bist. Es steht dir.«
»Wirklich?«
»Alle schönen Frauen sehen am besten aus, wenn sie traurig sind. Bei Männern ist das anders. Gutaussehende Männer können ein bißchen fröhlich sein, aber ausgelassene Frauen sehen aus wie Hockey-Mannschaftskapitäne. Und welcher Mann würde sich in eine Komikerin verlieben?«
»Du redest solchen Stuß, Silas.«
»War es das Geschwafel dieses schrecklichen Architekten, das dich verärgert hat?«
»Nein. Es war ein wunderbarer Abend.«
»Schwimmbecken und Küchen. Ich glaube, von was
anderem kann der Kerl nicht reden. Aber ich mußte ihn einladen, er ist der einzige, der mir meinen Boiler reparieren kann.« Er lachte. Es war ein komplizierter Spaß, den nur er allein zu schätzen wußte. Er hatte sich an seine eigene Gesellschaft gewöhnt, und derartige Bemerkungen waren nur zu seiner eigenen Belustigung bestimmt. Sie saßen im
»Musikzimmer«, einem winzigen Raum, in dem Silas seine Hi-Fi-Anlage und seine Sammlung von Opernaufnahmen untergebracht hatte. Er trug einen prachtvollen gestrickten Cardigan. Dieser zeigte ein kompliziertes Fair-Isle-Muster und ribbelte sich schneller auf, als Mrs. Porter ihn stopfen konnte, so daß Wollfäden von Ellbogen und Manschetten hingen.
»Nun sage mir, was dich quält, Fiona.« Aus dem nächsten
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Zimmer hörte man ein Klavier. Es war Bret, der dort »Night and Day« spielte.
Fiona erzählte Silas von Tessas Unterhaltung mit Giles Trent, und als sie fertig war, ging er zum Fenster und sah hinaus. Die kiesbestreute Auffahrt zog eine Schleife über den Rasen vor dem Haus, auf dem drei majestätische Ulmen standen. Tessas giftgrüner Rolls-Royce war unter dem Fenster geparkt. »Ich weiß nicht, wie deine Schwester mit diesem Wagen fertig wird«, sagte er. »Weiß ihr Mann, daß sie ihn benützt, wenn er nicht da ist?«
»Sei nicht so ein Aas. Natürlich weiß er’s.« Er sah sie an.
»Es sieht ganz so aus, als käme eine orangefarbene Akte auf uns zu, Fiona.«
»Allerdings.« Eine orangefarbene Akte bedeutete eine offizielle Untersuchung.
»Giles Trent. Dieses verräterische Schwein. Warum machen diese Leute so was?« Sie antwortete nicht. »Was hättest du getan, wenn Tessa dir das hinterbracht hätte und du dich nicht in dieser besonderen Lage befändest, in der du bist?« Ohne zu zögern, sagte Fiona: »Ich wäre damit zur Inneren Sicherheit gegangen. Die Vorschriften sind diesbezüglich ganz eindeutig.«
»Natürlich.« Er kratzte sich den Schädel. »Aber wie die Dinge liegen, können wir die IS-Leute nicht damit befassen, stimmt’s?« Eine weitere Pause. »Du hättest nicht zuerst mit deinem Mann darüber gesprochen?«
»Nein.«
»Du scheinst dir dessen sehr sicher zu sein, Fiona.«
»Für ihn wäre es doch das gleiche, oder nicht?«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Onkel Silas, warum nicht?«
Er drehte sich um und sah sie an. »Wie soll ich’s dir sagen?
Du und ich, wir gehören einer Gesellschaftsschicht an, die von der Vorstellung der Pflicht besessen ist. In unseren besten
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Public Schools ist den jungen Leuten immer beigebracht worden, daß ›Dienen‹ die erhabenste Berufung ist, und ich bin stolz darauf. Gott zu dienen, unserem Souverän zu dienen, unserem Land zu dienen.«
»Du willst doch nicht sagen, weil Bernard keine Public School besucht hat …«
Er unterbrach sie mit erhobener Hand. »Hör mich erst mal an, Fiona. Wir alle achten deinen Mann. Ich mehr als sonst jemand, das weißt du. Bernard ist mir teuer. Er ist der einzige da draußen, der weiß, wie es ist, im Feuer zu stehen. Ich will einfach nur sagen, daß Bernards Leute, die Jungs, mit denen er aufgewachsen ist, und seine Familie ihre Prioritäten anders setzen. Für sie – und wer will sagen, daß sie sich da irren –
kommt Loyalität zur eigenen Familie
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