Gelinkt
ihre Kinder neben ihr einquartiert werden könnten, hatte dieser lachend erwidert, daß es noch dringendere Bedürfnisse als ihre gebe. Silas war ein Pirat oder sah doch wie einer aus. Ein riesiger, dickbäuchiger Kerl mit schweren Wangen und breiter Stirn, über der sich ein kahler Schädel wölbte. Seine zerbeulten Kleider waren von erlesener Qualität, aber er bevorzugte alte Klamotten – wie auch alten Wein und alte Freunde. Sie stellten die verschiedenen Flicken und die säuberlich gestopften Löcher, das Werk seiner treuen Haushälterin, Mrs. Porter, zur Schau wie ein alter Krieger seine Orden.
Das Haus war aus einheimischem Stein in schöner brauner Farbe erbaut. Dazu passend war die Einrichtung – wie die von dickem Firnis verdunkelten Familienporträts und die prächtige Kommode aus dem frühen 18. Jahrhundert. Silas Gaunt liebte das Eßzimmer, besonders wenn es voller Leute war wie beim Lunch an diesem Samstag. Gaunt stand am Kopf des wunderschönen georgischen Mahagonitisches und schnitt von einem beeindruckenden Rinderbraten Scheiben für die Samsons, Tessa, die Cruyers, Bret Rensselaer, seine alten Berufsgenossen, und beherrschte sie alle mit der Macht seiner Persönlichkeit. Fiona Samson sah all dem wie aus weiter Ferne zu. Selbst als ihr Sohn Billy sich das Hemd mit Soße bekleckerte, lächelte sie nur zufrieden, als sähe sie das Ereignis in einem alten Film. Sie beobachtete die Cruyers mit Interesse.
Fiona hatte zur gleichen Zeit wie Dicky in Oxford studiert. Sie erinnerte sich, wie man ihm zugejubelt hatte an dem Tag, da er im Debattierklub triumphierte, und wie er sie an dem Tag zu
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verführen versuchte, da er seinen Kricketsieg feierte. Einer der aufgewecktesten unter den klugen Jungs am Balliol-College war er gewesen, den Posten des Leiters der Deutschland-Abteilung, für den eigentlich Bernard vorgesehen war, hatte er gekriegt, und nun hieß es, daß man ihm schließlich noch ganz Europa geben würde. Jetzt fragte sie sich, ob Silas Gaunt ihr vorschlagen würde, ihn in ihr Geheimnis einzuweihen. Sie hoffte, nicht. Schon jetzt waren genügend Leute informiert, und daß Dicky es erfahren sollte, während man Bernard in Unwissenheit hielt, fände sie unerträglich. Dicky bemerkte, daß sie ihn ansah, und bedachte sie mit dem schüchternen Lächeln, das bei den Mädchen in Oxford so wirkungsvoll gewesen war.
Sie beobachtete auch Tessa. Deren Mann, George Kosinski, war auf Reisen. Es war charakteristisch für Silas und bewies seine Intuition, daß er in der Vermutung, sie werde wohl mit Fionas Anruf auch irgendwas zu tun gehabt haben, auch Tessa eingeladen hatte, für den Fall, daß er mehr wissen mußte.
Als Silas nach dem Lunch die Herren zu Cognac und Zigarren ins Billardzimmer bat, ging Fiona mit Billy und Sally nach oben, denn die Kinder hatten Schularbeiten zu machen.
»Machen in Schaltjahren Damen den Männern Heiratsanträge, Mami?« fragte Sally.
»Ich glaube nicht«, sagte Fiona.
»Meine Lehrerin sagt aber, daß sie’s tun«, sagte Sally, und Fiona merkte, daß sie in eine der Fallen getappt war, die Sally ihr so gern stellte.
»Dann wird sie zweifellos recht haben«, sagte sie.
»Es war Miss Jenkins«, sagte sie. »Papa sagt, sie ist bescheuert.«
»Vielleicht hast du Papa falsch verstanden.«
»Ich war dabei«, mischte Billy sich in die Unterhaltung ein.
»Er hat tatsächlich gesagt, daß Miss Jenkins total bescheuert ist. Das war an dem Tag, an dem sie ihn angewiesen hat, unseren Wagen nicht in die Parklücke des Schuldirektors zu
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stellen.«
»Es war am Sonnabend«, sagte Sally zur Verteidigung ihres Vaters.
»Das reicht«, sagte Fiona scharf. »Nun zu euren Aufgaben.«
Es wurde an die Tür geklopft, und dann sah Tessa herein.
»Ja?« sagte Fiona.
»Ich dachte, die Kinder würden vielleicht gern mit in die Ställe kommen.«
»Sie müssen ihre Schularbeiten machen.«
»Es gibt ein Fohlen zu sehen … letzte Woche geboren. Nur auf ein halbes Stündchen, Fi.«
»Am Montag schreiben sie eine Arbeit«, sagte Fiona.
»Laß sie in meiner Obhut, Fi. Ich werde dafür sorgen, daß sie ihre Schularbeiten machen. Mach diesen langen Spaziergang nach Ringstone, ich weiß doch, wie gerne du da hingehst.« Tessa wollte sie loswerden. Sie war gerne bei den Kindern, und diese schienen sie zu mögen. Tessa hatte niemals Autorität ertragen können, und die Kinder spürten das, und es interessierte sie.
Fiona sah sie an. »Also gut. Dreißig Minuten, aber dann
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