Gelinkt
als er aus dem Bett schlüpfte und ins Badezimmer ging. Es war ein sonniger Frühlingstag. Am hellen Tag hinter geschlossenen Vorhängen im Bett zu liegen verursachte ihr Schuldgefühle.
Was war mit ihr geschehen? Mindestens tausendmal hatte sie sich im Laufe der Jahre geschworen, Harry Kennedy nie wiederzusehen, aber er war so charmant und amüsant, daß sie ihn nicht vergessen konnte. Und dann dachte sie mit einemmal wieder an ihn, oder es kam ein Blumenstrauß oder eine Reklame von jenem »Haar- und Schönheitssalon«, und jedesmal ließ sie ihre guten Vorsätze wieder fahren und ging zurück zu ihm. Manchmal war es nicht mehr als ein eiliges Glas in irgendeiner Kneipe in der Nähe der Klinik oder ein paar Worte am Telefon, aber es gab Zeiten, wo sie ihn brauchte. Ab und zu gab es ein Rendezvous wie dieses, und sie genoß jeden Augenblick. Sie beobachtete ihn, wie er nun nackt durchs Zimmer ging und den Kleiderschrank öffnete. Er war muskulös und braungebrannt, abgesehen vom Gesäß, das die Shorts abgedeckt hatten. Kürzlich hatte er drei Maschinen nach Saudi-Arabien geliefert. Blasse Narben zogen sich wie ein Degengehänge über seine Schultern und erinnerten an eine vor zehn Jahren in Mexiko erforderlich gewesene Notlandung. Er merkte, daß sie ihn ansah, und drehte sich grinsend um.
Diese illegitime Beziehung hatte Fiona verwandelt. Sie hatte eine Bombe in die Routine ihres ehelichen Lebens geworfen.
Es war erregend, mit Harry zusammenzusein, und in seiner Gegenwart fühlte sie sich bezaubernd und begehrenswert, wie sie sich bei Bernard niemals hatte fühlen können. Sex spielte inzwischen eine wichtige Rolle dabei, aber da war noch etwas Wesentlicheres. Sie konnte es nicht erklären. Sie wußte nur,
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daß der Druck, dem sie in ihrem Beruf ausgesetzt war, unerträglich gewesen wäre ohne die Aussicht, hin und wieder, und sei es nur für einen Augenblick, Harry zu sehen. Selbst wenn sie nur seine Stimme am Telefon hörte, war das zugleich beunruhigend und belebend. Jetzt verstand sie etwas, was sie nie gekannt hatte, diese Backfischliebe, von der sie andere Mädchen hatte reden hören, das, wovon die Schlager handelten, die sie nicht ausstehen konnte. Natürlich hatte sie des Betrugs an Bernard wegen ein schlechtes Gewissen, aber sie brauchte Harry. Manchmal glaubte sie, einen Teil des schlechten Gewissens ausmerzen zu können, wenn sie die Freundschaft zu Harry auf eine neue, rein platonische Grundlage stellte. Aber sobald sie dann in Harrys Nähe war, wurden diese Vorsätze hinfällig.
»Ach, du bist wach. Wie wär’s mit einem
Champagnercocktail? Ich habe alles dazu hier.« Sie lachte.
»Ist das komisch?« sagte er. Er zog den karierten seidenen Morgenmantel an und betrachtete sich im Spiegel, während er ihn glattstrich und den Gürtel knotete.
»Ja, Liebling, sehr komisch. Tee wäre sogar noch besser.«
»Tee? Kommt sofort.«
Nachdem Harry hinausgegangen war, nahm sie die
Mittagsausgabe der Abendzeitung vom Nachttisch. Eine Schlagzeile auf der Titelseite meldete einen »Badezimmermord in Chelsea«. Ein Einbrecher hatte Giles Trent in seiner Duschkabine erschossen. Der Mörder hatte den Duschvorhang benutzt, um sich nicht mit Blut zu besudeln, und sich, ehe er den Tatort verließ, die Hände gewaschen. Ein vorsichtshalber ungenannt bleibender Sprecher von Scotland Yard hatte die Tat als »durchaus sehr professionell« bezeichnet, und einer jener Experten, die immer bereit sind, Journalisten Auskünfte zu geben, hatte gesagt, daß »alle Anzeichen einer typischen New Yorker Mafia-Hinrichtung« vorhanden seien. Der Reporter schien unterstellen zu wollen, daß es irgendwie um Rauschgift
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gegangen sein müsse. Ein spaltenbreit gedrucktes verschwommenes Foto zeigte einen sehr jungen Giles Trent in Badehosen, die Arme in die Seiten gestemmt, mit breitem Lächeln. Im Innenteil zeigte ein großes Foto das Haus in Chelsea, vor dem ein Polizist Wache stand. Gott sei Dank, Bernard hatte Tessa und Fiona aus der ganzen Sache herausgehalten. Onkel Silas hatte Bernard vollkommen richtig eingeschätzt. Es war beunruhigend, daß manche seiner männlichen Freunde ihn besser kannten als sie. Er war so verschlossen. Ohne sie zu Rate zu ziehen oder zu unterrichten, hatte er Giles Trent zu einem Geständnis genötigt, zu einem Geständnis, bei dem von Tessa nicht die Rede war. Nun war Trent tot, und wenn sein Tod auch ziemlich häßlich war, empfand sie dabei doch unwillkürlich eine gewisse
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