Gelinkt
Angelegenheit, würden Sie einen sehr
folgenschweren Präzedenzfall schaffen. Einen höchst
gefährlichen Präzedenzfall.« Er schüttelte die Disketten in der
Schachtel. Sie klapperten. »Wie immer nun die Karrieren von
Oberst Moskwin und Major Stinnes weitergehen mögen, wird
doch, hoffe ich, diese Abteilung weiterhin so funktionieren wie
während der vergangenen zwölf Jahre oder noch länger. Wenn
Sie aber eine Genehmigung für etwas so Normales wie eine
Reise nach Holland in der Normannenstraße einholen,
unterstellen Sie uns praktisch deren Autorität. Was würde dann
in Zukunft geschehen? Niemand hier wird mehr so
verhältnismäßig unabhängig seine Arbeit machen können wie
jetzt. Wir könnten praktisch gleich den Laden hier dichtmachen
und in der Normannenstraße zum Dienst gehen.« Sie nahm ihm
die Schachtel mit Disketten aus der Hand und stellte sie wieder
auf den Tisch. Dann sah sie auf ihren Notizblock hinab, als
wende sie sich wieder ihrer Arbeit zu. »Das würde ich nicht
wollen, Herr Renn. Sie haben mir ja schon erzählt, wie Sie das
Gedränge auf dem U-Bahnhof Magdalenenstraße hassen.« Hubert Renn wurde steif, und er preßte die Lippen
zusammen. Inzwischen hätte Fiona schon gelernt haben sollen,
daß der spaßige Ton, der in englischen und amerikanischen
Büros gang und gäbe ist, in Deutschland selten gut ankommt.
»Aber Frau Direktor …«
»Nur ein Spaß, ein alberner Spaß«, sagte Fiona. »Ich werde
natürlich Ihren Rat befolgen, Herr Renn.«
»Soll ich Ihre Papiere vorbereiten?«
»Ja, ich fahre.« Sie sah zu, wie er die Arbeit, die ihn
beschäftigt hatte, zusammenlegte. Hubert Renn war, obwohl er
gern das Gegenteil behauptete, eine komplexe Persönlichkeit.
Sie kam noch immer nicht klar damit, wie er es schaffte, seine
antirussischen Vorurteile mit unkritischer Unterwerfung unter
Marx und dessen sämtliche Werke zu verbinden. War Renns
Empfehlung – Kompetenzen in Anspruch zu nehmen, auf die
ihre Stellung ihr eigentlich keinen Anspruch gab, und sich kraft
dieser eine Auslandsreise zu gestatten – der Köder in
irgendeiner neuen ekligen Falle, die ihre Feinde ihr stellten?
Sie glaubte es nicht, aber es gab keine Gewißheit. Vorsichtig,
Stefan! Niemand konnte sich auf nichts vollkommen verlassen
hier. Das war das Wichtigste, was sie gelernt hatte. Sie stand
auf. »Und dann ist da noch die Sache mit dem Arzt an der
Charite.«
»Ja, Frau Direktor. Diese Sachen sind immer sehr
zeitraubend. Ich habe Ihnen eine Notiz auf den Schreibtisch
gelegt.«
»Die Notiz sagt nur, daß alles in Ordnung ist.« Renn trat
neben sie und sagte: »Ja, gute Nachrichten, Frau Direktor. Herr
Dr. Kennedy ist vollkommen unbedenklich. Besser als das: ein
Genosse. Wir haben ihn mit ein paar kleinen Aufgaben in
London beschäftigt. Wahrscheinlich hätte man ihm auch
wichtigere gegeben, wenn er nicht schon als Student der Partei
beigetreten wäre.«
Fiona wurde übel. Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl. Für
einen Augenblick blieb ihr die Luft weg. Dann gelang es ihr zu
murmeln: »Der Kommunistischen Partei?« Gott sei Dank, daß
sie sich Kennedy niemals anvertraut hatte. Mehr als einmal war
sie versucht gewesen. Er schien ein so überzeugter Kapitalist
zu sein mit seinen Flugzeugverkäufen und -lieferungen, aber
natürlich wäre das auch eine ausgezeichnete Tarnung, und wie
sie aus ihrer täglichen Erfahrung wußte, finanzierte das KGB
Tausende von solchen Geschäften als Tarnung für Agenten.
»Ja, schade, daß niemand sein Potential erkannte und ihm
davon abriet. Denn natürlich können Parteigenossen nicht für
wichtige Aufgaben verwendet werden.«
»Irgendwelche Daten?«
»Nichts seit Juli 1978. Aber erinnern Sie sich, wir haben ja
beide erst jüngst wieder mal gesehen, wie lange es manchmal
dauert, bis Nachträge zu den Akten aufgearbeitet sind.« Ihr
Kopf begann zu klopfen, und Fiona fühlte sich krank. »Was hat
er für uns gemacht?«
»Solche Einzelheiten sind bei uns nicht aktenkundig. Der
Londoner Resident hätte alles Diesbezügliche direkt nach
Moskau gemeldet. Ich vermute, es wird sich um Überwachung,
das Besorgen von Unterkunft oder von Referenzen gehandelt
haben. Mit derartigen Aufgaben werden solche Leute meist
betraut.«
Das war es also: Juli 1978, einen Monat vor der
»zufälligen« Begegnung auf der Waterloo-Station. Sie hatte
Martin vergrault, und so hatte Moskau einfach einen anderen
Beobachter auf sie angesetzt. Ja, die Zeit hätte ausgereicht,
Harry zu instruieren und vorzubereiten. Harry
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