Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Devon« zeigte es und war ein Geschenk des Kindermädchens. Zwei Ränder des Bildes hatte Sally bereits fertig. Ohne etwas zu sagen, begann Billy, ihr zu helfen.
»Mir fehlt Mami«, sagte Sally. »Warum hat sie uns nicht zu Weihnachten besucht?«
»Gloria ist nett«, sagte Billy, der schon einigermaßen für sie schwärmte. »Was heißt ›in Trennung‹?« Er hatte gehört, daß seine Eltern in Trennung lebten, aber er wußte nicht genau, was das bedeutete.
Sally sagte: »Nanny hat gesagt, daß Mami und Papa in verschiedenen Ländern leben müssen, um sich selbst zu finden.«
»Können sie sich denn nicht selbst finden?« sagte Billy. Er kicherte. »Es muß schrecklich sein, wenn man sich selbst nicht finden kann.«
Sally fand das überhaupt nicht komisch. »Wenn sie sich selbst findet, kommt Mami wieder.«
»Dauert das lange?«
»Ich werde Nanny fragen«, sagte Sally, die sich darauf verstand, dem stillen Mädchen aus Devon Informationen abzuschmeicheln.
»Ist Papa auch dabei, sich selbst zu finden?« Und dann, ehe Sally antworten konnte, fand er ein Stück Himmel und paßte es in das Puzzle ein.
»Ich habe das Stück zuerst gesehen«, sagte Sally.
»Nein, hast du nicht. Hast du nicht!«
Sally sagte: »Vielleicht könnte Papa Mami heiraten und Gloria auch.«
»Nein«, sagte Billy, seiner Sache sicher. »Ein Mann kann nicht zwei Frauen haben.«
Sally sah ihn bewundernd an. Billy wußte immer alles. Aber sein Gesicht hatte einen Ausdruck, den sie kannte. »Ist dir nicht gut?« fragte sie ängstlich.
»Ich glaube, mir wird übel«, sagte Billy.

20
    Ost-Berlin, Februar 1984
Hubert Renn sprach seine innersten Gedanken selten aus, hätte er das hinsichtlich seiner Tätigkeit für Fiona Samson aber getan, wäre dabei herausgekommen, daß die Beziehung sich als viel besser, als er zu hoffen gewagt, erwiesen hatte. Als ihm in der ersten Januarwoche des Jahres 1984 angeboten wurde, in eine andere Stellung und damit ins Stasi-Hauptquartier an der Normannenstraße überzuwechseln, lehnte Renn das Angebot ab und machte unter erheblichen Schwierigkeiten Gründe für diese Weigerung geltend.
    Hubert Renn war die Atmosphäre der kleinen KGB-StasiKommandoeinheit an der Karl-Liebknecht-Straße lieber. Und wie viele Angehörige der Verwaltung schätzte er das Gefühl von Wichtigkeit und Dringlichkeit der alltäglichen Geschäfte, das einem die Tätigkeit in der Operationsabteilung vermittelt. Überdies hatte er eine väterliche Verantwortung für Fiona Samson übernommen, was freilich der strengen und förmlichen Art, in der, auf sein Betreiben, die Geschäfte geführt werden mußten, nicht anzumerken war. Wie auch Fiona Samson von Renn niemals etwas außer seiner völligen Hingabe an seine Arbeit verlangte oder zu erwarten schien. Renn hatte keine Schwierigkeiten, Fiona Samson zu verstehen oder wenigstens mit ihr zurechtzukommen. Dieses gegenseitige Einverständnis profitierte von Fionas geändertem Verhalten, ihrer verdrängten und neugestalteten Weiblichkeit. Die Ungewißheiten und Zweifel, die Mutterschaft und Ehe ihr mitgegeben hatten, beeinflußten jetzt ihr Denken nicht mehr. Sie war nicht maskulin – Männer und ihre Denkweise fand sie noch immer so rätselhaft wie eh und je –, aber sie war jetzt so vereinfachend und entschieden, wie es Männer zu sein pflegen. Selbst in ihrer weiblichsten Phase war sie nie der Opferrolle verfallen, die sie ihre Mutter, ihre Schwester und zahllose andere Frauen nur allzu bereitwillig hatte spielen sehen. Wenn sie jetzt irgendeiner Sache begegnete, mit der sie zu ihren eigenen Bedingungen nicht fertig wurde, fragte sie sich, was Bernard in der gleichen Lage tun würde, und das half ihr oft, das Problem zu lösen. Und es umgehend zu lösen.
    Wäre sie vollkommen auf dem Posten gewesen, wären ihre Verhältnisse ganz erträglich gewesen. Aber Berlin legte sich ihr aufs Gemüt. Für Bernard war die Stadt eine zweite Heimat, und er liebte sie. Für Fiona war sie ein Alptraum. Sie kam endlich zu dem Schluß, daß ihre Depressionen und Alpträume, aus denen sie oft schwitzend und zitternd erwachte, nicht allein von ihrer Einsamkeit herrührten oder den Schuldgefühlen, die sie bei dem Gedanken, Mann und Kinder verlassen zu haben, plagten. Berlin war der Bösewicht. Berlin verzehrte ihr das Herz, so daß sie sich nie würde erholen können. Das war natürlich Unsinn, aber sie verlor ihr Gleichgewicht, und das war ihr bewußt. In der Abgeschiedenheit ihrer Wohnung an der Frankfurter Allee, wenn

Weitere Kostenlose Bücher