Gelinkt
gesehen hätte, wäre ihr Vertrauen in
Silas Gaunts Fähigkeit, ihre Sorgen zu beheben, wohl etwas
geringer geworden. »Wir werden Sie säuberlich und schnell
einsacken müssen, Mr. Giles Trent«, murmelte er und
versuchte, sich die Reaktion von Trents Führungsoffizier bei
der Entdeckung, daß sein Mann entlarvt war, auszumalen.
Würden sie versuchen, ihn herauszuholen und zu retten? Oder
würde Moskau einen weiteren Spionageprozeß mitten in der
Londoner Zentrale als einen Triumph betrachten, für den es
sich lohnte, eine Figur zu opfern? Es könnte sich jedoch hier
um einen der Fälle handeln, wo London und Moskau sich einig
waren, daß ein schweigender Trent die beste Lösung sei. Für
den Fall war Vorsorge dafür zu treffen, daß jemand zur Hand
war, der das besorgen konnte. Silas erinnerte sich eines
hartgesottenen alten deutschen Kriegsveteranen, der einst als
Barmann in Lisls Hotel gearbeitet und während dieser Zeit alle möglichen Drecksarbeiten für Silas erledigt hatte. Inzwischen war der Mann nach Ost-Berlin verzogen. Perfekt! Wer würde diesen Kerl je mit der Londoner Zentrale in Verbindung bringen? Wie hieß er doch? – Richtig, Rolf Mauser, ein fabelhafter alter Schurke. Genau der Mann für einen solchen Job. Natürlich würde er ihn nicht direkt ansprechen, denn je mehr Abstand man von der Sache hielt, desto besser.
10
Maida Vale, London, April 1983
»Bist du eingeschlafen, Süße?« Fiona vergrub ihr Gesicht im Kissen und antwortete nicht. Die Matratze federte, als er aus dem Bett schlüpfte und ins Badezimmer ging. Es war ein sonniger Frühlingstag. Am hellen Tag hinter geschlossenen Vorhängen im Bett zu liegen verursachte ihr Schuldgefühle. Was war mit ihr geschehen? Mindestens tausendmal hatte sie sich im Laufe der Jahre geschworen, Harry Kennedy nie wiederzusehen, aber er war so charmant und amüsant, daß sie ihn nicht vergessen konnte. Und dann dachte sie mit einemmal wieder an ihn, oder es kam ein Blumenstrauß oder eine Reklame von jenem »Haar- und Schönheitssalon«, und jedesmal ließ sie ihre guten Vorsätze wieder fahren und ging zurück zu ihm. Manchmal war es nicht mehr als ein eiliges Glas in irgendeiner Kneipe in der Nähe der Klinik oder ein paar Worte am Telefon, aber es gab Zeiten, wo sie ihn brauchte. Ab und zu gab es ein Rendezvous wie dieses, und sie genoß jeden Augenblick. Sie beobachtete ihn, wie er nun nackt durchs Zimmer ging und den Kleiderschrank öffnete. Er war muskulös und braungebrannt, abgesehen vom Gesäß, das die Shorts abgedeckt hatten. Kürzlich hatte er drei Maschinen nach Saudi-Arabien geliefert. Blasse Narben zogen sich wie ein Degengehänge über seine Schultern und erinnerten an eine vor zehn Jahren in Mexiko erforderlich gewesene Notlandung. Er merkte, daß sie ihn ansah, und drehte sich grinsend um.
Diese illegitime Beziehung hatte Fiona verwandelt. Sie hatte eine Bombe in die Routine ihres ehelichen Lebens geworfen. Es war erregend, mit Harry zusammenzusein, und in seiner Gegenwart fühlte sie sich bezaubernd und begehrenswert, wie sie sich bei Bernard niemals hatte fühlen können. Sex spielte inzwischen eine wichtige Rolle dabei, aber da war noch etwas Wesentlicheres. Sie konnte es nicht erklären. Sie wußte nur, daß der Druck, dem sie in ihrem Beruf ausgesetzt war, unerträglich gewesen wäre ohne die Aussicht, hin und wieder, und sei es nur für einen Augenblick, Harry zu sehen. Selbst wenn sie nur seine Stimme am Telefon hörte, war das zugleich beunruhigend und belebend. Jetzt verstand sie etwas, was sie nie gekannt hatte, diese Backfischliebe, von der sie andere Mädchen hatte reden hören, das, wovon die Schlager handelten, die sie nicht ausstehen konnte. Natürlich hatte sie des Betrugs an Bernard wegen ein schlechtes Gewissen, aber sie brauchte Harry. Manchmal glaubte sie, einen Teil des schlechten Gewissens ausmerzen zu können, wenn sie die Freundschaft zu Harry auf eine neue, rein platonische Grundlage stellte. Aber sobald sie dann in Harrys Nähe war, wurden diese Vorsätze hinfällig.
»Ach, du bist wach. Wie wär’s mit einem
Champagnercocktail? Ich habe alles dazu hier.« Sie lachte. »Ist das komisch?« sagte er. Er zog den karierten seidenen
Morgenmantel an und betrachtete sich im Spiegel, während er
ihn glattstrich und den Gürtel knotete.
»Ja, Liebling, sehr komisch. Tee wäre sogar noch besser.« »Tee? Kommt sofort.«
Nachdem Harry hinausgegangen war, nahm sie die
Mittagsausgabe der Abendzeitung vom Nachttisch.
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