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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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und summte leise im Drahtzaun. Sie drehte sich langsam und ließ den Blick in die Runde schweifen. Ihr Reich: dreihundertundfünfundsechzig Grad und kein Mensch, nicht einmal ein Haus in Sicht, nur der ferne Aufruhr eines Krähenschwarms, der sich für die Nacht einrichtete. Im Norden befestigten schwarze Säulen schweren Regens den Himmel. Die Anstrengung des Aufstiegs hatte ihr jeden Gedanken an die denkbaren beunruhigenden Ergebnisse der morgigen Besprechung mit Silas Gaunt ausgetrieben. Aber jetzt jagten ihre Gedanken wieder voraus.
Sie war keine Forscherin, und Experimente waren nicht ihre Sache. Fionas Gehirn leistete das Beste bei der Auswertung von Material und der Planung von dessen Verwendung. Diese Fähigkeit ermöglichte es ihr, ihre eigene Begabung für den praktischen nachrichtendienstlichen Einsatz sehr treffend zu beurteilen. Verschwiegenheit besaß sie im Überfluß, aber viele der Eigenschaften, die sie an Bernard beobachtete, fehlten ihr. Sie hatte nicht dessen in praktischer Erfahrung erprobte ständige Geistesgegenwart, die ihm erlaubte, schnell zu entscheiden und sofort zu handeln. Fiona konnte gehässig, hartnäckig und kaltherzig sein, aber für sie waren das dauerhafte Emotionen. Bernard hatte diese geheimnisvolle männliche Fähigkeit, bei Bedarf von einem Augenblick zum anderen kaltblütige Feindseligkeit anzuschalten und sie einen Bruchteil einer Sekunde später wieder abzuschalten. Sie zog sich den Hut über die Ohren. Der Himmel wurde schwärzer und der Regen stärker. Sie mußte rechtzeitig wieder im Haus sein, um vor dem Essen noch zu baden und sich umzukleiden. Onkel Silas erwartete, daß man sich zum Dinner in Schale warf. Sie würde irgendwas mit ihrem Haar machen und sich ein Bügeleisen borgen müssen für ihr Kleid. Tessa und die anderen Frauen waren mutmaßlich schon den ganzen Nachmittag über damit beschäftigt, sich fürs Abendessen feinzumachen. Sie sah auf ihre Uhr und den Rückweg. Selbst die freundlichen, sanft wogenden Cotswolds konnten feindselig werden, wenn die Dunkelheit hereinbrach.
»Du hast bezaubernd ausgesehen gestern abend, meine
    Liebe«, sagte Onkel Silas.
»Danke, Silas. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich kann zur
Zeit bei diesen flotten, witzigen Tischgesprächen nicht
mithalten.«
»Und warum solltest du das wollen? Ich mag dich, wenn du
ernst bist. Es steht dir.«
»Wirklich?«
»Alle schönen Frauen sehen am besten aus, wenn sie traurig
sind. Bei Männern ist das anders. Gutaussehende Männer
können ein bißchen fröhlich sein, aber ausgelassene Frauen
sehen aus wie Hockey-Mannschaftskapitäne. Und welcher
Mann würde sich in eine Komikerin verlieben?«
»Du redest solchen Stuß, Silas.«
»War es das Geschwafel dieses schrecklichen Architekten,
das dich verärgert hat?«
»Nein. Es war ein wunderbarer Abend.«
»Schwimmbecken und Küchen. Ich glaube, von was
anderem kann der Kerl nicht reden. Aber ich mußte ihn
einladen, er ist der einzige, der mir meinen Boiler reparieren
kann.« Er lachte. Es war ein komplizierter Spaß, den nur er
allein zu schätzen wußte. Er hatte sich an seine eigene
Gesellschaft gewöhnt, und derartige Bemerkungen waren nur
zu seiner eigenen Belustigung bestimmt. Sie saßen im
»Musikzimmer«, einem winzigen Raum, in dem Silas seine HiFi-Anlage und seine Sammlung von Opernaufnahmen
untergebracht hatte. Er trug einen prachtvollen gestrickten
Cardigan. Dieser zeigte ein kompliziertes Fair-Isle-Muster und
ribbelte sich schneller auf, als Mrs. Porter ihn stopfen konnte,
so daß Wollfäden von Ellbogen und Manschetten hingen. »Nun sage mir, was dich quält, Fiona.« Aus dem nächsten Zimmer hörte man ein Klavier. Es war Bret, der dort »Night
and Day« spielte.
Fiona erzählte Silas von Tessas Unterhaltung mit Giles
Trent, und als sie fertig war, ging er zum Fenster und sah
hinaus. Die kiesbestreute Auffahrt zog eine Schleife über den
Rasen vor dem Haus, auf dem drei majestätische Ulmen
standen. Tessas giftgrüner Rolls-Royce war unter dem Fenster
geparkt. »Ich weiß nicht, wie deine Schwester mit diesem
Wagen fertig wird«, sagte er. »Weiß ihr Mann, daß sie ihn
benützt, wenn er nicht da ist?«
»Sei nicht so ein Aas. Natürlich weiß er’s.« Er sah sie an.
»Es sieht ganz so aus, als käme eine orangefarbene Akte auf
uns zu, Fiona.«
»Allerdings.« Eine orangefarbene Akte bedeutete eine
offizielle Untersuchung.
»Giles Trent. Dieses verräterische Schwein. Warum machen
diese Leute so was?« Sie antwortete nicht. »Was

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