Gelinkt
gefährlich. »Nur dummes
Zeug, nehme ich an.«
»Zum Beispiel?« Er beugte sich zu ihr und küßte ihre
Wange. »Vielleicht würdest du mich nicht mehr lieben, wenn
du es wüßtest«, sagte sie und verwuschelte sein Haar mit einer
Gebärde, von der sie hoffte, daß sie die einer marxistischen
Spionin angemessene leicht verächtliche Herablassung
ausdrückte. »Ich werde dir was erzählen«, sagte er impulsiv.
»Ich habe vor, mich aus dem Psychogeschäft zurückzuziehen.« »Davon redest du doch dauernd.«
»Aber diesmal ist es mir ernst, Schätzchen. Für
hunderttausend Dollar würde mir mein Cousin Greg ein Viertel
der Anteile an seiner Flugzeug-Maklerfirma verkaufen. Wenn
ich ganz bei ihm einstiege, könnten wir einen der Piloten
entlassen. Er braucht die hunderttausend für die Erneuerung
der Pacht des Hangars und der Bauten in Winnipeg.« »Du hast aber gesagt, das Geschäft wäre riskant«, sagte
Fiona.
»Ist es auch. Aber nicht mehr Risiko, als ich verkraften
kann. Und von der Psychiatrie habe ich die Nase gestrichen
voll.« Er hielt inne, doch sie sagte nichts. »Büropolitik ist alles,
was sie in der Klinik machen. Wer kriegt dies und wer kriegt
das.«
»Aber du hast jetzt die Arbeitserlaubnis, du könntest dir
woanders eine Beschäftigung suchen.«
»Könnte ich nicht. Dazu berechtigt mich das Scheinchen,
das ich habe, nicht. Und was für eine Beschäftigung könnte ich
denn auch finden? Auf diese Massenhysterie-Forschung habe
ich mich doch nur gestürzt, um von den neurotischen
Hausfrauen in den Wechseljahren wegzukommen. Ich muß da
raus, Fiona. Ich muß einfach.«
»Ich hatte keine Ahnung, daß du so unglücklich bist.« In
Augenblicken wie diesen liebte sie ihn mehr, als sie sagen
konnte.
»Ich habe nur durchgehalten, weil ich dich habe. Nichts ist
mir wichtiger als du«, sagte Harry und setzte in ernsterem Ton
hinzu: »Wie alt du auch werden magst, ich will, daß du dich
immer dieses Augenblicks erinnerst. Ich will, daß du dich
erinnerst, daß mein Leben dir gehört.«
»Lieber Harry.« Sie küßte ihn.
»Ich verlange nicht von dir, daß du das gleiche sagst. Deine
Umstände sind andere. Ich stelle keine Ansprüche an dich. Ich
liebe dich mit allem, was ich habe.«
Sie lachte wieder. Die Stunden, die sie mit Harry verbrachte,
waren die einzige Zeit, in der sie vergessen konnte, was ihr
bevorstand.
11
London, Mai 1983
»Mein Gott, Bret, ich wünschte, Sie würden nicht plötzlich unangemeldet auftauchen wie ein Bote aus der Unterwelt.« Es war eine alberne Redewendung aus ihrer Schulzeit, kaum die passende Begrüßung für Bret Rensselaer, selbst wenn er plötzlich unangemeldet in ihrer Wohnung erschien. Doch während sie sprach, begriff Fiona, daß Bret ihr neuerdings tatsächlich wie ein Bote einer anderen, dunkleren Welt vorkam. Der Ausdruck amüsierte Bret. Er stand in der Küche, den Hut in der Hand, lächelnd. Ein Sommerschauer glitzerte wie Straß auf seinem schwarzen Regenmantel. Er sagte: »Schätzen Sie mich so ein, Fiona, als Abgesandten des Sensenmannes? Und welche Gestalt nimmt dieser an, wenn er nicht der DirectorGeneral ist?«
Fiona hatte eine Schürze um, ihr Haar sah schlimm aus, sie leerte eben den Geschirrspüler. Besteck in der Hand, lächelte sie, ein nervöses Zucken der Lippen, und sagte: »Entschuldigen Sie, Bret.« Sie nahm ein Tuch zur Hand und rieb eine Messerklinge blank. »Das Besteck kommt nie ohne Flecken raus«, sagte sie. »Manchmal denke ich, es würde schneller gehen, den ganzen Abwasch im Spülbecken zu machen.« Sie redete mechanisch, während ihre Gedanken zu Bernard eilten.
»Ihr entzückendes Au-pair-Mädchen hat mich reingelassen. Sie schien es eilig zu haben.« Bret knöpfte seinen schwarzen Regenmantel auf, und ein schwarzer Anzug und eine schwarze Krawatte kamen zum Vorschein. »Ich fürchte, ich sehe ein bißchen düster aus. Ich war bei der Trauerfeier für Giles Trent.« Sie bot nicht an, ihm den Mantel abzunehmen, lud ihn auch nicht zum Sitzen ein.
»Sie haben mich erschreckt. Ich wartete auf einen Anruf von
Bernard.«
»Der wird vielleicht noch lange auf sich warten lassen, Fiona. Bernard ist drüben, um Licht in das Brahms-vier-Fiasko zu bringen. Niemand weiß genau, wo er sich gerade aufhält.«
Drüben – dieses schreckliche Wort. Ihr wurde kalt. »Wann war der letzte Kontakt?«
»Beruhigen Sie sich, Fiona.« Sie stand wie erstarrt, eine Hand voll Messer und Gabeln, in der anderen ein Tuch. »Es weist nichts daraufhin, daß er in
Weitere Kostenlose Bücher