Gelöscht (German Edition)
finde ich heraus, dass Bens Dad Lehrer und seine Mum Künstlerin ist. Sie arbeitet in der Werkstatt bei der Molkerei. Toris Vater ist Regierungsrat in London, aber sie selbst lebt mit ihrer Mum auf dem Land. Ihr Vater kommt nur an manchen Wochenenden nach Hause, und so wie sie es erzählt, klingt es, als wäre sie ganz froh darüber. Beide sind 17, also ein Jahr älter als ich, und kennen Amy aus der Schule – dieselbe Schule, zu der auch ich gehen werde, sobald Penny und Mum mich lassen.
»Wo kommst du denn wirklich her?«, fragt Tori, als Penny nicht mehr in Hörweite ist.
»Wie meinst du das?«
»Wo hast du gelebt, ehe du hierhergekommen bist?«
»Im Krankenhaus. Ich bin erst seit letztem Sonntag draußen.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Tori«, unterbricht Ben sie. »Sei freundlich.«
Sie lächelt ihn spöttisch an. »Sie kann auf gar keinen Fall gerade erst rausgekommen sein, so wie sie redet. Das weißt du doch genauso gut wie ich. Wir beide sind mehr als drei Jahre draußen, und du weißt doch, wie die Neuen sind.«
»Ich war länger im Krankenhaus als die meisten«, entgegne ich. »Wegen der Albträume.«
»Wie lange?«
»Neun Monate – behaupten sie zumindest.«
»Trotzdem. Du bist anders.«
Ich will protestieren, mich streiten. Aber gerade, als ich loslegen will, wird mir etwas klar: Meine Reaktion ist Beweis genug. Die meisten Slater würden einfach nur lächeln und allem zustimmen, was man ihnen sagt. Was nützt es also, das Ganze abzustreiten, wenn es doch so offensichtlich ist?
Ich zucke mit den Schultern. »Und was, wenn es so ist?«
»Aha!«, macht Tori.
Ben beugt sich vor und studiert interessiert meinen Blick. »Was ist verkehrt daran, anders zu sein?«
Tori setzt eine finstere Miene auf, dann umarmt Ben sie und ihr Gesichtsausdruck ändert sich augenblicklich.
»Willst du dich am Sonntag mit uns treffen?«, fragt mich Ben. Sein Arm liegt immer noch um Toris Schultern. »Wir gehen zur Landwirtschaftsschau.«
Tori sieht gleichzeitig überrascht und verärgert aus.
»Ich weiß nicht. Ich muss erst fragen, ob ich darf.«
Tori verdreht die Augen. »Klar, natürlich.«
Mir wird plötzlich mehr als bewusst, dass ich mich von Ben fernhalten muss, wenn ich mit Tori klarkommen will. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich das gar nicht möchte.
Penny fängt mich ab, als die anderen schon aus dem Raum gehen.
»Kyla, bleib noch. Ich möchte einen Augenblick mit dir allein sprechen.«
Sie wartet, bis die letzten Gruppenmitglieder verschwunden sind, und setzt sich dann neben mich.
»Ich habe von deinem Blackout vor ein paar Tagen gehört. Ich muss dein Levo kontrollieren.«
Sie zieht einen mobilen Scanner hervor wie im Krankenhaus, nur etwas kleiner, und verbindet ihn mit ihrem Netbook. Sie hält das Gerät über mein Levo und kurz darauf tauchen Diagramme auf ihrem Computer auf.
»Oh mein Gott.«
»Was?«
»Schau es dir selbst an, Kyla.« Sie berührt den Bildschirm und wählt ein Diagramm vom 15. September aus. Ein ganzer Abschnitt ist in den frühen Morgenstunden vom Dienstag im roten Bereich. Sie tippt die einzelnen Kurvenabschnitte an und Zahlen erscheinen auf dem Monitor.
»Kyla, du warst auf 2,3. Das ist viel zu niedrig. Was ist passiert?«
Ich starre sie an. Ich war nur 0,3 Punkte davon entfernt, überhaupt nicht mehr aufzuwachen. Mein Magen verkrampft sich.
»Nun. Sagst du es mir?«
»Ich weiß es nicht. Ich hatte einen Albtraum, das ist alles. Ich bin nicht aufgewacht. Das Nächste, was ich mitbekommen habe, ist, dass die Sanitäter da waren und mir Happy Juice gespritzt haben. Mir dröhnt immer noch der Kopf davon.«
»Träume haben auf dein Levo keine Auswirkungen, das weißt du doch. Deine Werte beeinflusst einzig und allein deine Reaktion darauf, wenn du aufwachst.«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich erinnere mich nicht ans Aufwachen. «
»Was hast du geträumt?«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern«, lüge ich.
Sie seufzt. »Ich will dir nur helfen, Kyla. Dein nächster Krankenhaus-Check steht erst am übernächsten Wochenende an, aber vielleicht sollten wir ihn auf dieses Wochenende vorziehen.«
»Nein! Ich brauche nur …«, ich überlege, wie ich das in Betreuerinnensprache ausdrücken soll, »ich brauche Ablenkung, damit ich und mein Kopf beschäftigt sind. Kann ich nicht doch schon mit der Schule anfangen? Bitte.«
Sie lehnt sich zurück und sieht mir in die Augen, als ob sie darin nach etwas sucht.
»Es ist noch zu früh. Du musst dich
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