Gelöscht (German Edition)
Klassen gehen kann oder am Anfang Unterricht in der Unit brauche oder eine Mischung aus beidem. Und morgen früh bekomme ich einen Stundenplan mit den mir zugeteilten Unterrichtsstunden.
»Irgendwelche Fragen?«, sagt sie, während sie ihren Computer schon wieder zuklappt.
»Äh ja, eine.«
»Oh?« Sie blickt überrascht auf.
»Kann ich Kunst belegen? Ich kann wirklich gut zeichnen. Meine Betreuerin hat gesagt, dass das möglich sein sollte und …«
Ich verstumme. Ihre Augen wandern ungeduldig zur Uhr. Mein Anliegen interessiert sie nicht.
»Weißt du, was? Ich mache eine Notiz in deiner Akte.« Sie lächelt wieder und öffnet ihr Netbook. »Hier: Kyla zeigt Interesse an Kunst. Okay? Und jetzt sei ein braves Mädchen und flitz schnell zu den anderen in die Mittagspause.«
Ich stehe auf und gehe Richtung Tür.
»Warte.«
Ich bleibe an der Schwelle stehen.
»Du darfst beim Rausgehen das Scannen nicht vergessen! Sonst denkt der Computer, dass du immer noch hier bist.«
Oh! Ich halte die Karte an das Kästchen und es piept wieder.
Unten finde ich den Raum, in dem ich gestern zu Mittag gegessen habe. Diesmal bemerke ich den Kartenscanner an der Tür und halte meinen Ausweis dagegen.
Wie angekündigt finden am Nachmittag lauter Multiple-Choice-Tests am Computer statt. Mrs Ali bleibt und sieht dabei zu, wie ich schier endlos A, B, C oder D drücke. Die Fragen sind zum großen Teil leicht und decken unterschiedliche Gebiete ab: Mathe, Englisch, Geschichte, Geografie und Biologie.
Als ich fertig bin, sind meine Augen müde und meine Schultern steif, aber ich glaube, ich habe alles ganz gut hinbekommen. Die Ergebnisse erhalte ich morgen, meint Mrs Ali, und als endlich die Schulglocke läutet, bringt sie mich zur Tür.
Ich nehme mit Ben den Bus, nachdem ich Amy überredet habe, allein mit Jazz zu fahren, und ihr versichert habe, dass ich klarkomme.
Ich gehe hinter Ben den Gang hinunter, und jetzt, da mein Kopf nicht mehr mit diesen Tests beschäftigt ist, wandern meine Gedanken wieder zu dem Mahnmal und der Tatsache, dass die RT einen ganzen Bus voller Schüler getötet haben. Einen Bus wie diesen.
Die Bewegung nehme ich zu spät wahr.
Ein Bein schießt quer über den Gang und ich stolpere und falle nach vorn. Instinktiv versuche ich, mich mit den Händen abzufangen, aber mein Rucksack hängt irgendwo fest und zieht mir die Arme zurück. Mein Gesicht prallt auf eine Rückenlehne und ich lande auf dem Boden.
Gelächter ertönt.
Ich komme auf die Knie und berühre meine Lippe – meine Finger sind rot.
Ich ziehe mich hoch und fahre herum.
Es ist das Mädchen, das gestern den freien Platz blockiert hat, damit ich mich nicht neben sie setzen konnte.
»Na, schöne Fahrt?« Sie lächelt.
Meine Muskeln spannen sich an und ich mache einen Schritt auf sie zu. Das Lächeln fällt aus ihrem Gesicht. Ihre Augen werden groß.
»Kyla? Kyla!« Ben greift nach meinem Arm, dreht mich herum und schiebt mich vor sich her in den hinteren Teil des Busses.
Der Busfahrer steht vom Vordersitz auf und kommt den Gang herunter.
»Alles in Ordnung hier?«
Niemand antwortet und er sieht mich und meine aufgeplatzte Lippe hinter Ben nicht. Er geht wieder nach vorn und der Bus fährt von der Schule ab.
Ben legt seinen Arm um meine Schultern und führt mich zu einem freien Platz.
»Du musst aufpassen, wo du hintrittst, Kyla«, sagt er, doch sein Gesichtsausdruck verrät nicht, was er denkt. In seinen Augen liegt keine Wut, sondern Sorge, aber eigentlich muss er wissen, dass mir ein Bein gestellt wurde und dass es kein Unfall war.
Er kramt ein Taschentuch aus seiner Jacke und reicht es mir. Ich drücke es an meine Lippe, ziehe es wieder weg und sehe es mir an. Ein leuchtend roter Fleck, aber es scheint nicht stark zu bluten.
Ich habe schon Schlimmeres erlebt.
Oder?
»Alles in Ordnung.«
»So siehst du aber nicht aus.« Mum betupft meine Lippe, um sie zu desinfizieren. »Was ist passiert?«
»Ich bin im Bus gestürzt und mit dem Gesicht auf einer Sitzkante gelandet.«
Den Fuß, der mich zu Fall gebracht hat, erwähne ich nicht und verschweige auch das Gelächter danach, als ich mich wieder aufgerappelt hatte. Oder dass ich kurz davor war, dem Mädchen ins Gesicht zu schlagen. Sie muss es in meinen Augen gesehen haben: Ein Ausdruck unbestimmter Furcht ist über ihr Gesicht gehuscht, bevor mich Ben weggezogen hat.
»Wo war Amy, als das passiert ist?«
Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Dass Jazz ihr Freund ist, darf
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