Geloescht
und habe keine Ahnung, welchen Vogel ich nehmen soll. Bis ich schwarze Augen sehe, weiÃe Federn und ein feierliches, herzförmiges Gesicht, das so flach ist, dass es wie eine Maske mit dunklen Augenschlitzen wirkt.
Die Perleule
. Irgendetwas an dem Vogel sagt mir:
Das bin ich.
Schnell verzichte ich auf die taxonomischen Beschreibungen und Essgewohnheiten und beginne mit der Zeichnung. Anfangs skizziere ich meine Eule in verschiedenen Positionen, dann im Flug mit weit ausgebreiteten Flügeln. Völlig vertieft ins Zeichnen, fällt mir gerade noch rechtzeitig ein, dass ich nicht meine linke Hand benutzen darf. Mit der rechten Hand fällt mir das Zeichnen zwar schwerer, aber es macht trotzdem noch SpaÃ.
Miss Fern steht hinter mir und blickt mir über die Schulter. »Kyla, das ist ja fantastisch! Du bist wirklich begabt.«
Andere Schüler scharen sich um mich und loben mich ebenfalls. Diese Klasse hat wohl kein so groÃes Problem damit, dass ich hier bin. Vielleicht weil sie vorher schon Ben kennengelernt haben. Er zieht die Blicke der Mädchen auf sich und scheint sich schnell mit den Jungs anzufreunden. Er ist einfach einer von ihnen â sie akzeptieren ihn, also akzeptieren sie auch mich. Wie bekommt er das bloà hin?
Es läutet. Ich kann durch das Fenster in der Tür erkennen, dass Mrs Ali im Flur auf mich wartet.
»Kommst du mit zum Essen?«, fragt Ben.
Ich lächle. »Gern, gib mir eine Minute.« Ich lasse mir Zeit, um meine Sachen zu packen. Ben schaut mich fragend an. Soll ich mich trauen? Ich gehe zum Pult der Lehrerin.
»Miss Fern? Ich hab mich gefragt ⦠Ich meine, ich hoffe, vielleicht können Sie mir helfen â¦Â«
»Worum gehtâs denn, Kyla? Raus mit der Sprache.«
»Ich möchte in den Kunstunterricht, aber sie lassen mich nicht. Mir wurde gesagt, ich darf kein Wahlfach belegen.«
»Wirklich? Na ja, ich schaue mal, was ich machen kann«, sagt sie. »Leihst du mir das aus?« Sie zeigt auf meine Eulen-Zeichnung und ich reiche sie ihr.
Ich drehe mich um und erschrecke. Mrs Ali steht direkt hinter mir, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Ich habe nicht bemerkt, dass sie hereingekommen ist. Ich habe nicht mal die Tür gehört.
»Kann ich mit Ben zum Essen gehen?«, erkundige ich mich.
»Nein. Im Stundenplan steht, dass du deine Mittagspause in der Unit verbringst, und daran musst du dich halten.« Sie wendet sich an Ben, der immer noch an der Tür wartet.
»Tut mir leid, Ben. Kyla muss jetzt zur Unit.«
Er winkt und ist verschwunden.
In der Unit führt mich Mrs Ali in ein Büro anstatt in den Speisesaal.
»Auf meinem Stundenplan steht aber doch Mittagessen«, wage ich zu protestieren.
Sie schlieÃt die Tür.
»Kyla, hör mir mal gut zu. Deine Zukunft hängt am seidenen Faden. Wenn er reiÃt, droht dir ein sehr tiefer Fall.«
Ist das eine Drohung? Aber sie lächelt ihr besorgtes, sanftes Lächeln. Es passt nicht zu ihren Worten.
»Das verstehe ich nicht.«
»Kyla, ich bin hier, um dir so gut wie möglich dabei zu helfen, ein glückliches, integriertes Mitglied unserer Gesellschaft zu werden. Dazu musst du jedoch lernen, dich an Regeln zu halten. Dein Stundenplan ist eine Form von Regeln. Du hast einen Vertrag unterzeichnet, als du das Krankenhaus verlassen hast, in dem du eingewilligt hast, bestimmte Vorschriften zu befolgen: die deiner Familie, deiner Schule, deiner Gruppe und der Gemeinschaft.« Sie berührt meine Wange, und ihre Hand ist so warm wie ihre Augen, doch ihre Worte sind kalt. »Wenn du gegen die Vorschriften verstöÃt oder versuchst, sie zu umgehen oder sie auch nur ein wenig zu dehnen, wird das Folgen haben. So, und jetzt geh essen.«
»Guten Abend, zusammen.« Unsere Betreuerin Penny trägt wieder einen hellen Pulli, der zu ihrer Stimme passt: diesmal in Orange.
Donnerstagabend, 19 Uhr: Zeit für die Gruppe. Keine Spur von Ben oder Tori. Die anderen lächeln auf ihren Plätzen, und ich versuche, sie nachzuahmen. Nach einem weiteren Tag ist meine Lippe immer noch deutlich angeschwollen, obwohl sie nicht mehr so stark wehtut.
»Vielleicht beginnen wir damit, dass jeder ein wenig erzählt, was er gemacht hat, seit wir uns zum letzten Mal getroffen haben.«
Penny fordert ihre Schützlinge auf der anderen Seite des Raumes als Erste zu sprechen auf und wirft während der Berichte immer mal wieder
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