Geloescht
Werden sie mich finden?
Als sich meine Augen wieder öffnen, kann ich nichts sehen. Ich reiÃe sie auf, weit und weiter, steige aus dem Bett und taste mich an der Wand entlang zum Fenster, ziehe die Vorhänge auf und blicke nach drauÃen. Heute ist kein Mond zu sehen.
Es hat funktioniert. Ich habe mitten in einem Albtraum meinen
Happy Place
gefunden. Es hat tatsächlich funktioniert. Ich habe nicht das Haus zusammengeschrien und bin nicht ohnmächtig geworden. Mein Levo zeigt relativ akzeptable 4,8.
Aber der
Happy Place
hat sich in meinem Schlaf verändert. Die Bäume, das Gras und die Wolken waren da. Doch ich war diesmal nicht allein â ich spielte mit anderen Kindern Verstecken. Und ich war jünger. Viel jünger.
Der Schrecken des ersten Traums lässt langsam nach, die Einzelheiten beginnen sich aufzulösen wie Rauch, der in den Himmel steigt. Trotzdem fühlt es sich so
real
an â als ob ich dort gewesen wäre, als ob ich an diesem Tag zugesehen hätte, wie all diese Schüler starben.
Wahnsinn.
Mein Magen rebelliert, als ich am nächsten Tag in den Bus steige. Aber ich habe Amy als Schutz im Rücken.
Und da ist sie, auf ihrem üblichen Platz: die Slater-Hasserin, die mir gestern das Bein gestellt hat. Sie sitzt betont aufrecht und starrt aus dem Fenster. Im Vorbeigehen beobachte ich sie genau. Die erwischt mich nicht noch mal.
Amy folgt meinem Blick. »Die da?«, flüstert sie, aber ich sage nichts.
Als ich mich hinten im Bus neben Ben setze, werden seine Augen groÃ. »Du Arme«, sagt er und berührt meine Lippen sanft mit den Fingerspitzen. Ãber Nacht hat sich eine Kruste gebildet und sie sieht noch schlimmer aus als gestern. »Tutâs weh?«
»Nur wenn ich lächle«, sage ich.
Er nimmt meine kalte Hand in seine warme. »Dann wird heute nicht gelächelt«, sagt er streng und wischt sich seines aus dem Gesicht.
Er sieht anders aus, wenn er ernst ist. Die Gleichförmigkeit â der glückliche Ausdruck aller Slater â ist verschwunden. Aber seine Augen lächeln immer noch. Ich habe wieder dieses Gefühl, dass ich ihn schon immer gekannt habe, dass ich in seiner Nähe sicher bin. Mein Magen hüpft, aber nicht unangenehm.
Mrs Ali erwartet mich in der Unit. Sie sieht mich an und runzelt dann die Stirn. »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
»Ich bin im Bus gestürzt.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Hör mal, Kyla: Wenn dich jemand schikaniert, dann sag es mir. Ich werde mich darum kümmern. Was ist wirklich passiert?«
Ich schaue ihr in die Augen und erkenne nur Sorge. Aber gerade, als ich denke, ich könnte ihr alles erzählen, warnt mich eine Stimme in meinem Innern:
schlechte Idee.
»Ich bin gestolpert und gefallen.«
Sie runzelt erneut die Stirn. »Na gut. Falls dir noch irgendetwas dazu einfällt, dann sprich mit mir. Jedenfalls haben wir mittlerweile deine Testergebnisse. Du bist ein sehr kluges Mädchen: Ab heute gehst du direkt in den normalen Unterricht. Stufe 11 â also bist du kaum älter als die anderen Schüler. Nicht, dass das irgend-jemand merken würde, wenn du es ihnen nicht sagst. Die meisten werden eh gröÃer sein als du.«
Sie reicht mir einen Stundenplan. »Also komm, als Erstes hast du eine Betreuungsklasse, wo du dich täglich registrierst und das Treue-Gelöbnis ablegst. Sie findet im Englisch-Block statt.«
Ich schaue mir den Stundenplan an, zuerst nur flüchtig, dann noch mal genauer. Betreuungsklasse, Englisch, Mathe, Geschichte, Bio, Freistunde, Naturwissenschaften, Landwirtschaft und dreimal die Woche »Unit«, was auch immer das heiÃen soll. Es steht nicht dabei.
»Aber was ist mit Kunst?«
»Wie bitte, Kyla?«
»Kunst steht nicht in meinem Stundenplan.«
»Nein, du hast kein Wahlfach wie die anderen Schüler. Wir müssen für Neuzugänge wie dich zusätzliche Stunden an der Unit im Stundenplan einbauen. Für alles andere ist kein Platz mehr.«
Ich starre sie an. Das kann einfach nicht wahr sein. Es ist das einzige Fach, das ich unbedingt belegen will, und einer der Gründe, warum ich so schnell zur Schule gehen wollte.
»Aber â¦Â«
»Kein Aber, dafür ist jetzt keine Zeit. Du kommst zu spät zur Betreuungsklasse. Wenn du ein Problem mit deinem Stundenplan hast, dann sprich mit Dr. Winston«, erwidert Mrs Ali und schwebt aus der Unit.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher