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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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spindeldürre Jugendliche kamen heraus und traten in den Wind. Ihre Gesichter konnte ich unter den Kapuzen nicht erkennen. Ich ließ sie den Bürgersteig entlanglatschen. Als sie an dem Transporter vorbeikamen, sah ich, dass einer von ihnen eine Tasche über die Schulter geschwungen hatte.
    »Was meinst du, was ist da wohl drin?«, fragte ich.
    »Weiß der Geier … Schnee? Könnte alles sein. Die stecken mit Rab unter einer Decke, und der steckt in allem.«
    Ich überlegte, ob ich dem Halbstarken folgen sollte, um mal nachzusehen, doch dann wurde Sids Tür wieder geöffnet, und ich wurde rauh in den Sitz zurückgeworfen.
    Als Mac den Transporter anhielt, kreischten die Reifen. Schwarze Rauchwolken hingen in der Luft, als ich die seitliche Schiebetür aufzog. Sid stand mit großen Augen auf dem Bürgersteig, die Kinnlade hing ihm herab wie ein Futtersack über seinem dürren Hals. Ich streckte die Hand aus, packte ihn am Kragen und warf ihn in den Laderaum. Er war überraschend leicht. Mac ließ die Reifen wieder kreischen, als ich die Tür zuschlug.
    Ich sagte nichts, überließ Sid seinen Gedanken.
    Ich behielt ihn aufmerksam im Auge, wie er vor mir bibberte und sich den Sabber aus dem Mundwinkel wischte.
    Er sah aus wie eine in die Enge getriebene Ratte, vornübergebeugt und bereit, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit davonzuspringen. Seine mageren Knie drückten sich durch seine scharf gebügelten Jeans wie Zeltstangen. Im Transporter herrschte eine Stimmung, die man gar nicht falsch verstehen konnte. Sid schiss sich in die Hose. Nicht im wörtlichen Sinne, und wenn doch, hätte man es nicht mitbekommen bei dem umwerfenden Gestank von Blue Stratos, seinem Aftershave.
    »Scheiße, was soll das hier werden?«, fragte er schließlich.
    Ich ignorierte ihn.
    »Hey, kommt schon, das geht so nicht. Ich hab euch doch schon alles gesagt, was ich weiß.«
    Bei mir das eine Ohr rein, das andere wieder raus.
    Er schlug gegen die Wand des Transporters und brüllte: »Hey, lasst mich raus!«
    Er hatte es zu weit getrieben. Ich beugte mich vor und packte ihn am Hals. Er versuchte, sich aus meinem Griff zu winden, die Hände flogen hoch, als er zu sprechen versuchte. Seine Stimme war nur ein Krächzen, aber da waren keine Worte, die herauskamen.
    Ich sah zu, wie Sid sich vor mir abzappelte, mitleiderregend auf meine Hände schlug, bis ich schließlich seinen Kopf an die Seitenwand des Transporters klatschte.
    Er sackte zusammen. Seine Hände zerrten an seinem Kragen. Er schnappte nach Luft.
    Mac brüllte: »Scheiße, was ist da hinten los? … Wenn ich diesen Transporter anhalten muss, lege ich den Wichser auf der Stelle um.«
    Sids Füße zappelten über den Boden des Transporters, als er in blinder Panik vor mir zurückwich.
    »Er ist jetzt ruhig«, sagte ich. »Wenn er sich noch mal bewegt, mache ich ihn selbst kalt.«
    Wir fuhren gut eine Stunde.
    Ganz offensichtlich machte Mac das nicht zum ersten Mal; er wusste, wie man die Anspannung in die Länge zog.
    Keiner von uns sagte ein Wort, obwohl ich schwören könnte, gesehen zu haben, wie Sid unhörbar einen Rosenkranz vor sich hin betete. Seine Hautfarbe hatte von seinem natürlichen Sozialsiedlungsgrau zu weiß wie eine Made gewechselt. Er saß auf dem Boden, hatte die Arme um die Schienbeine geschlungen und die Knie unter das Kinn gezogen. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick in meine Richtung, und bei direktem Blickkontakt sah er sofort wieder woandershin.
    Durch die Windschutzscheibe sah ich, dass Mac mit uns aufs Land hinausgefahren war. Wir bogen von einer Landstraße ab und fuhren einen Feldweg hinunter. Ich sah Bäume. Keine Ahnung, was für welche – ich komme aus Leith –, jedenfalls standen sie entlang der Ufer eines kleinen Bachs. Sie hatten dicke Äste, über die man locker ein Seil werfen konnte; mehr als stark genug, um einen Strich in der Landschaft wie Sid zu tragen.
    Mac hielt den Transporter an. Schaltete den Motor ab und steckte die Schlüssel in die Tasche. Er machte einen ziemlichen Wirbel daraus, unter dem Vordersitz nach einem Seil zu kramen. »Gus, wo zum Teufel ist das Seil?«, brüllte er.
    Ich beobachtete Sid. Er ließ die Hände fallen, stemmte sich auf den Handflächen hoch. »Die Schlinge?«, fragte ich.
    »Aye, die verfickte Schlinge«, erwiderte Mac.
    Ich griff hinter mich, machte die Werkzeugkiste auf, die fix im Transporter integriert war, und nahm das Seil heraus. Mac hatte einen Slipknoten vorbereitet. Bei seinem Anblick stieß

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