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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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maulte einer meiner Neffen von der Couch. Ich konnte nicht erkennen, welcher. Diese Typen hörten sich für mich alle gleich an.
    »Jetzt nicht mehr.«
    »Was willst du?«
    »Drücken wir es mal so aus: Du hast gerade deine Privilegien verloren.«
    Die zwei lachten. Trockener Husten wie beim Feierabend-Bingo.
    Ich begann meine Armbanduhr abzulegen und die Ärmel hochzukrempeln. »Wie hat meine Mutter diese Lippe bekommen?«
    »Scheiße, Mann, weiß ich doch nicht.«
    »Vielleicht ist sie gegen eine Tür gerannt«, sagte der andere.
    Beide lachten, klatschten sich ab.
    Ich nahm einen Aschenbecher in die Hand. »Mach das aus.«
    »Was, wenn ich Nein sage? … Willst du mir dann eine klatschen?«
    »Mach das aus.«
    »Leck mich doch … Du fasst mich nicht an.« Er stand auf, baute sich vor mir auf. »Du gehörst zur Familie, also bist du – du kannst nicht.«
    Ich packte sein Gesicht mit einer Hand. »Und du glaubst, das zählt auch nur einen Furz?«
    Der andere erhob sich nun ebenfalls. »Hey, hör jetzt auf mit der Scheiße! Du bist doch angeblich unser Onkel.«
    Beide lachten. Für sie war alles nur ein Spaß.
    »Lasst euch eines von mir sagen«, stellte ich klar, »Blutsverwandtschaft hat mich in diesem Haus nie vor meinem eigenen Vater geschützt, und euch wird sie ebenfalls nicht schützen.«
    Ich sah den auf meinen Kopf gerichteten Schlag mit der schweren Bong ungefähr zehn Minuten, bevor ich den Raum betreten hatte. Seine Reaktionen waren langsam. Ich erwischte seinen Arm, während ich mit der anderen Hand immer noch das Gesicht des zweiten hielt. »Jungs, das ist nicht besonders clever von euch.«
    Ich riss sie aufeinander zu. Sie waren schwach und ausgezehrt.
    Dem einen verpasste ich einen rechten Haken, woraufhin sein Kopf gegen den des anderen knallte.
    Blut schoss zeitgleich aus einem Auge und einer Nase.
    »Ich hab’s euch gerade gesagt, ihr habt sämtliche Privilegien verloren.«
    Blicke, zuerst untereinander, dann zu mir. »Was redest du da?«
    »Muss ich’s wirklich buchstabieren?«
    »Wir haben uns hier eingerichtet …«
    »Jetzt nicht mehr, das ist vorbei.«
    Ein Brustkorb schoss nach vorn, eine weiße Baseballmütze bewegte sich nach hinten, als ein Kopfstoß auf mich gerichtet wurde. Ich sah es in Zeitlupe. Es gibt nur eine Art, auf eine Kopfnuss zu antworten. Ich senkte meinen eigenen Kopf; er krachte mit der Nase gegen meine Schädeldecke, ging in die Knie. Blut quoll hervor. Sein Bruder versuchte, ihm auf die Beine zu helfen.
    »Seid ihr beide eigentlich vollkommen bescheuert?«
    »Was ist mit unserem Kram?«
    »Ich werde den ganzen Dreck in eine Tasche stopfen und vor die Tür schmeißen … Wollt ihr diskutieren?«
    Sie drehten sich um, gingen zur Tür. Ich begleitete sie hinaus.
    Sie sagten nichts, als sie zum Tor gingen. Ließen es offenstehen. Ich rief sie zurück. »Zumachen!«
    Sie gehorchten.
    Ich sah, wie sich im Nachbarhaus die Gardinen bewegten. »Hey, eine Sache noch … Wenn ich höre, dass einer von euch sich noch mal auf ein Lichtjahr diesem Haus hier nähert, werde ich euch finden.«
    Gestotter. »Und was dann?«
    Ich sah dem Burschen direkt in die Augen. »Wenn ich euch dann finde, gibt’s kein Und was dann mehr.«
    Ich ließ meine Mutter ein paar Stunden schlafen. Versuchte, im Haus klar Schiff zu machen. Überall Zigarettenkippen. Fand einen Beutel Shit – steckte ihn ein. Der Rest wanderte in die Mülltonne. Nahm die Gardinen ab und packte sie in ein Becken mit Bleichmittel. Sah aus, als wären die Fenster jetzt zum ersten Mal seit Wochen geöffnet gewesen. Ein bisschen frische Luft verbesserte die Atmosphäre im Haus gleich erheblich. Aber die Decke hatte sich gelb verfärbt; da war ein neuer Anstrich nötig.
    Als meine Mutter auftauchte, stand ich mit einem Staubtuch in der Hand da. Sie lachte. »Oh, Gus, das ist mal ein Bild!«
    Ich hielt den Staublappen hoch. »Tja, freut mich, dass ich dich aufheitern kann.«
    Sie kam herein, setzte sich, schaute sich um. »Du hast alles schön aufgeräumt.«
    Ich legte den Lappen aus der Hand, schraubte den Verschluss wieder auf die Flasche Möbelpolitur. »Was ist hier passiert, Mam?«
    Sie schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster. »Ich weiß es nicht, Gus … Sie waren mal so nette Kerlchen.«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Alles, was ich von mir gab, würde sich anhören wie ein Leitartikel aus der Daily Mail … Mach die Eltern, das Versagen der Gesellschaft, die verkommene Jugendkultur verantwortlich.

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