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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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vermute, es ist einfach nicht möglich, mich von diesem Kram zu befreien, niemals …
    Wir können uns nichts Protziges leisten, also muss es das Standesamt tun. Hod hilft uns aus: mietet die Kilts, steckt Debs in ein anständiges Kleid. Nichts Ausgefallenes – das hat sie nicht nötig. Ich kann kaum meine Augen von ihr losreißen, als sie erscheint, die lange Reihe billiger Plastikstühle herunterschreitet, die immer noch zu einem behelfsmäßigen Gang aufgestellt werden. Sie spielen Teenage Kicks von den Undertones, unser kleiner Witz; es ist ein einmaliger Augenblick.
    Für das hier sind wir noch viel zu jung. Das sagt jeder.
    »Du solltest dir eigentlich eine nach der anderen nehmen, Gus«, sagt Hod zu mir. Er hat das hier bereits eine Million und ein Mal hinter sich.
    »Ich wollte nie eine andere als Debs«, antworte ich ihm. Ich sehe, es kommt nicht bei ihm an. Es ist meine erste Ahnung, dass dieser Tag nicht wirklich unter einem guten Stern steht.
    Mein Herz klopft so sehr, dass ich mich schon frage, ob es wohl aus meiner Brust springen und auf dem Boden landen könnte. Als Debs an meiner Seite ankommt, lächelt sie. Es ist kein großes Lächeln. Nicht mal ein natürliches Lächeln. Sie ist nervös. Sie zittert. Ich weiß nicht, ob ich sie ansehen darf, ganz zu schweigen von sie berühren, aber ich möchte sie so gern in meine Arme nehmen und sagen: Alles in Ordnung. Alles wird gut.
    Ich erstarre, als die Standesbeamtin spricht. Es ist eine alte Frau mit stahlgrauen Haaren und Brille. Eine Brille mit kleinen runden Gläsern, so eine wie die von John Lennon. Ich mag sie, weil Brillen mit großen Gläsern in knalligem Rot und Grün gerade modern sind. Sie sieht – wie sagt man noch? – oberlehrerhaft aus.
    Es ist eine Freude, Debs »Ja, ich will« sagen zu hören.
    Ich hab so einen Kloß im Hals, ich bringe meine eigenen Worte kaum heraus.
    Als die Zeremonie vorbei ist, wird Debs mit aufgeregten Rufen aufgefordert, ihren kleinen Brautstrauß in die Menge zu werfen. Sie will nicht, sagt: »Ich möchte ihn gern behalten.«
    Es ist nur ein billiger Strauß für eins neunundneunzig von der Tankstelle am Supermarkt.
    »Tja, dann tu’s nicht. Behalt ihn«, sage ich.
    »Das wär’ aber nicht fair.«
    Ich weiß, das ist mal wieder typisch Debs – die anderen immer zuerst. Sie dreht sich um und wirft den kleinen Strauß über ihre Schulter. Es freut mich so sehr, die Balgerei um die Blumen zu sehen, die strahlenden Gesichter und die aufrichtige Freude. Ich sehe Debs an, sie lächelt ebenfalls. Vielleicht wird doch alles gut, denke ich.
    Hod hat eine Kamera. Wir treten auf die Straße. Die Sonne scheint, eine Seltenheit.
    Eine alte Frau, in ein blaues Tuch gehüllt, geht vorbei und legt eine Hand auf Deborahs Ellbogen. »Meine Güte, du bist eine wunderschöne Braut, Liebes.«
    Debs lächelt, bedankt sich.
    Ich sehe, wie Autos langsamer fahren, um einen kurzen Blick auf uns zu werfen, in unseren besten Klamotten und glücklich. Reis und Konfetti fliegen in die Luft, und Hod kommandiert lautstark, dass wir uns alle vor dem Standesamt in einer Reihe aufstellen sollen.
    Wir stellen uns auf, alle machen Witze und haben Spaß. Debs lässt ihr Strumpfband sehen, die Leute applaudieren.
    »Gus, was trägt man unter dem Kilt?«
    Das zeige ich nicht. Ein alter Witz: »Nichts, alles funktioniert bestens!«
    Hod knipst munter drauflos. Wir werden ein ziemlich dickes Album zusammenbekommen. Ich gewöhne mich langsam an den Gedanken, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Selbst nach allem, was passiert ist, nach all dem Schmerz. Den seelischen Qualen. Den Tränen. Dem Blutvergießen. Ich vergesse die Tage zuvor, als Debs ihre Eltern angefleht hat, ihr noch eine Chance zu geben, zur Hochzeit zu kommen, uns ihren Segen zu geben. Ich vergesse, dass ich weiß, was die Leute sagen werden, warum wir hier sind. Wir wollen es nur denjenigen zeigen, die gesagt haben, wir wären nur dumme Kinder. Es denen zeigen, die gesagt haben, ich sei ein Taugenichts. Es denen zeigen, die gesagt haben, Debs wäre ein dämliches kleines Weibsstück. Eine dreckige kleine Schlampe, die bekommt, was sie verdient.
    Wir haben einen Fehler gemacht. Das wissen wir. Aber hiermit bringen wir das in Ordnung, oder? Hiermit zeigen wir es ihnen allen.
    Hod brüllt: »Es reicht … Das wär’s. Ich hab alles im Kasten.«
    Überall wird gelacht. Leute applaudieren.
    Die alte Frau mit dem blauen Tuch ist geblieben, um zuzusehen. »Da wirst du aber ein

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