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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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paar herrliche, herrliche Bilder haben, Liebes!«
    Debs lächelt. »Vielen Dank.«
    Die alte Frau hat eine Träne im Auge und ein leichtes Krächzen in der Stimme, als sie sagt: »Man sieht es immer, wenn sich zwei lieben, weißt du … Man sieht es immer, ganz bestimmt sieht man das.«
    Ich nehme ein Taschentuch aus meinem Sporran, dem traditionellen Beutel zum Kilt, und gebe es ihr. »Ich hoffe, das sind jetzt aber Tränen des Glücks.«
    Sie wischt sich die Augen. »O ja, o ja … Ich bin einfach nur glücklich, ein junges Paar zu sehen, das sich so sehr liebt.«
    Debs legt eine Hand auf ihre Schulter. »Ach, das ist reizend von Ihnen. Ich werde immer an diesen Augenblick zurückdenken.«
    Ich bin unendlich stolz. Jetzt weiß ich, dass ich das Richtige getan habe. Nicht wegen dem, was die alte Dame gesagt hat, sondern weil ich sehe, dass Debs ihr glaubt. Sie weiß, dass es die Wahrheit ist, was sie gesagt hat. Wir sind etwas ganz Besonderes.
    Die alte Frau tupft an ihren Augen und dreht sich um. »Haltet einander fest und achtet euch.«
    Ich sehe, wie Debs’ Lippen zittern. Ich weiß, dass wir beide viele gemeinsame Jahrzehnte vor uns sehen. Wir sehen uns zusammen alt und grau werden. Ich weiß, dass ich traurig bin, aber ich weiß, es ist, weil die Situation eine so glückliche ist. Es ist ein vielschichtiges Gefühl, das ich nicht erklären kann. Und dann verschwindet es.
    Plötzlich ein lautstarkes Durcheinander. Eine Balgerei in der Menge.
    Ich sehe, wie Hod seine Kameratasche weglegt, das Stativ fallen lässt. Er rennt zu der Menge hinüber, aber es ist zu spät. Eine Gestalt hat sich bereits ihren Weg hindurch gebahnt. Leute machen Platz.
    Deborahs Mutter erscheint.
    Ihr Gesicht ist eine kriegerische Maske. Finster. Wütend. Brachial.
    Sie bewegt sich schnell. Kein Laufen. Ein entschlossener Schritt. Ich schnappe mir Debs’ Hand, schiebe mich vor meine Frau. Ich weiß, was jetzt kommt.
    Worte werden gebrüllt. Ich schnappe nur einige der vertrauteren auf. Der Hass in ihrer Stimme übertönt alle anderen.
    Sie greift über mich hinweg, versucht Debs zu kratzen. Ihre eigene Mutter, die sie kratzen will. Keine Ohrfeige. Kein Schlag. Echter, niederträchtiger Hass. Auf ihre Tochter gerichtet.
    Ich halte sie zurück. Sie landet keinen einzigen Schlag.
    Sie erschöpft sich und tritt einen Schritt zurück.
    Ich löse meinen Griff.
    »Schäm dich!«, faucht sie.
    Ich hebe die Arme.
    »Rühr mich nicht an, dummer Junge!«, sagt sie.
    Ich weiche keinen Millimeter.
    Debs zittert vor Angst. Tränen. Ihr Gesicht ist ein gerötetes Chaos.
    »Warum, Mum? Warum? … Ich bin doch immer noch derselbe Mensch.«
    Ihre Mutter tritt einen Schritt vor. Ihre Kraft und ihre Energie überraschen mich. »Du bist nicht mehr meine Tochter«, sagt sie. Sie spuckt Debs ins Gesicht. »Du Hure!«
    Jetzt reicht’s. »So reden Sie nicht mit meiner Frau.« Ich bin drauf und dran, sie zu schlagen. Ich werde sie umbringen, ich weiß es. Hod sieht das Feuer in meinen Augen und schreitet ein. Er legt einen Arm um die Taille der wütenden Frau, zieht sie fort, während sie um sich tritt und schreit.
    Ich drehe mich zu Debs um. Sie fällt mir in die Arme. Ich muss sie festhalten.
    Über ihre Schulter sehe ich die alte Frau mit dem blauen Tuch. Sie steht mit offenem Mund da. Als sie geht, lässt sie das Taschentuch fallen, das ich ihr gegeben habe. Ich will es ihr sagen, aber inzwischen bin ich zu weit von dieser Welt entfernt, um die Worte zu finden. Ich frage mich: Werde ich jemals zurückkehren?

E s gab dringendere Angelegenheiten, um die ich mich kümmern musste, aber ich konnte dies jetzt keine Minute länger aufschieben.
    Die Straße meiner Mutter war voller Autos. Als kleiner Junge hatte ich hier Ball gespielt und mit meinem Bruder Michael Fahrradrennen veranstaltet. Heute war weit und breit kein einziges Kind mehr zu sehen. PS-starke Kleinwagen säumten beide Straßenseiten. Die Yuppie-Flutlinie war mal wieder einen Tick gestiegen.
    Das Gras im Vorgarten meiner Mutter – falls man es überhaupt so nennen konnte; im Grunde kaum mehr als ein Handtuch – war zu einer deprimierenden Höhe gewachsen. Überall lag Abfall herum, Schachteln von McDonald’s und Behälter von Döner-Buden. Ich hatte das Grundstück noch nie so verwahrlost gesehen. Einen Moment fragte ich mich, ob ich das richtige Haus erwischt hatte.
    »Was für eine Müllkippe«, brummte ich leise.
    Das Fenster in der Haustür sah schmutzig aus. Das war etwas, worauf meine

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