Gemeingefährlich: Eine Erzählung aus der Weltraumserie Lucy (German Edition)
Der kleine Trupp brach auf. Mit klopfendem Herzen wartete Gurian noch mehrere Minuten, bis er zur Treppe schlich.
Als er im Kellerraum ankam, saß Nerinia in die hinterste Ecke gekauert. Mit beiden Händen hielt sie das einfache, vorne zu öffnende Kleid schützend zusammen. Ihre furchtgeweiteten Augen starrten ihn an. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib. Sicher war ihre Angst der Hauptgrund für diese Körperreaktion, aber der Raum war auch feucht und kalt.
Gurian ging zu ihr, warf den Rucksack neben sie und nahm sie in den Arm. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an ihn. Er streichelte ihr durchs Haar und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Endlich erinnerte er sich an den Grund dieses späten Besuchs. Er löste sich von ihr und öffnete den Rucksack.
»Sieh, was ich dir mitgebracht habe!«, sagte er.
Nerinia starrte auf die Getränke und die Lebensmittel. Den Rest schien sie nicht wahrzunehmen.
»Darf ich etwas trinken?«, fragte sie zaghaft.
»Das ist alles für dich. Deswegen bin ich extra heute Nacht gekommen.«
Gurian musste das Mädchen bremsen, damit sie sich nicht den Magen verdarb. Sie stopfte alles wahllos in sich hinein. Sein schlechtes Gewissen verstärkte sich. Warum hatte er bloß nicht schon vorher daran gedacht?
»Bleibst du bei mir?«, fragte Nerinia ängstlich, nachdem sie satt war.
Gurian bereitete ihr ein Lager. Fürsorglich breitet er die Decken über ihr aus. Er streichelte ihr liebevoll übers Haar und gab ihr einen sanften Kuss.
»Bitte, geh noch nicht«, flehte sie.
Gurian zögerte. Es war gefährlich für Nerinia. Man durfte ihn nicht vermissen. Man durfte nicht nach ihm suchen. Und doch war es so verlockend.
»Nur einen kleinen Moment. Dann muss ich wieder los«, sagte er und kroch zu ihr unter die Decke.
8
»Endlich haben diese dämlichen Luzaner auch begriffen, dass es allein mit ihren Provinzlermethoden nicht geht. Es reicht einfach nicht, mit grimmigem Gesicht durch die Gegend zu laufen und auf alles zu schießen, was man für verdächtig hält«, erzählte Rinata.
Die Lebensgemeinschaft saß beim Abendessen zusammen. Seit er Nerinia gefunden hatte, bemühte Gurian sich, die Regeln einzuhalten. Er durfte jetzt nicht anecken. Einen Hausarrest zu bekommen, bedeutete eine Katastrophe, nicht für ihn, sondern für Nerinia. Er trug jetzt Verantwortung und die nahm er ernst.
»Und was macht man stattdessen?«, fragte Kelinro. Seit er das Verhältnis zu Rinata geklärt hatte, gab er sich große Mühe, die verbleibende Zeit des Zusammenlebens so harmonisch wie möglich zu gestalten.
»Sie haben jetzt Detektoren bestellt, mit denen man Lebewesen und Roboter auffinden kann«, berichtete Rinata. »Damit soll der gesamte Außenbereich der Station abgescannt werden. Morgen kommen die Geräte an, dann wird man hoffentlich endlich diese Maschine wiederfinden und der Spuk ist vorbei.«
»Ich glaube nicht, dass man etwas findet. Das Ding ist sicher schon tot: verhungert, ertrunken oder in eine Schlucht gestürzten. So ein Roboter ist doch überhaupt nicht für das Leben dort draußen programmiert. Ich habe jedenfalls keine Angst«, erklärte Syligan unbekümmert. Dagbeg nickte zustimmend.
»Ist es denn sicher, dass man so einen Roboter mit diesen Detektoren findet? Kann man sich vor diesen Geräten nicht verstecken?« Gurian versuchte, seine Frage so unauffällig wie möglich klingen zu lassen, die Neugier eines technikinteressierten Jungen.
»Wenn dieser megagefährliche Roboter kein feindlicher Spion ist.« Syligan ließ ihr wie immer etwas zu lautes Lachen hören. »Der müsste bei mir schon in die Abteilung für Schiffstarnung einbrechen und ein Tarngerät klauen, wenn er sich vor den Detektoren verstecken will. Aber das schaffen noch nicht mal gut ausgebildete Menschen, so ein dämlicher Roboter mit Sicherheit nicht.«
»Du brauchst keine Angst zu haben, Gurian. Diesen mysteriösen Roboter werden sie wahrscheinlich schon morgen, spätestens übermorgen abgeschaltet haben, falls er denn überhaupt noch funktioniert.« Dagbeg zerzauste ihm die Haare. Das konnte er zwar ganz und gar nicht leiden, aber auch das erduldete er ohne Widerspruch.
Während sich der Rest der Lebensgemeinschaft über andere langweilige Themen unterhielt, betrachtete Gurian unauffällig Syligan. Eigentlich fand er sie nicht so übel, wie er noch vor wenigen Tagen glaubte. Vielleicht konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er musste noch in dieser Nacht an ein Tarngerät kommen und da gab es
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