Gemeinsam gegen Krebs: Naturheilkunde und Onkologie - Zwei Ärzte für eine menschliche Medizin (German Edition)
doppelt so hoher Anteil Patienten erkrankte unter den passiven oder kaum aktiven Patienten zum zweiten Mal (62 von 273 Probanden).
Meyerhardt bestätigte dieses Ergebnis in einer weiteren Studie: Er untersuchte 573 Frauen, die zwischen 1986 und 2002 an Dickdarmkrebs erkrankt waren. Die Frauen, die körperlich aktiv gewesen waren (genauer gesagt, sechs Stunden pro Woche gewalkt sind), erlagen nur halb so oft ihrer Krankheit wie die Vergleichsgruppe, die passiv geblieben war. 30,31
Eine andere Forschergruppe aus Boston wertete die Krankheitsgeschichten einer weitaus größeren Gruppe von fast 3000 Krankenschwestern (Nurses' Health Study) aus, die zwischen den Jahren 1984 und 1998 an Brustkrebs erkrankt waren. 32 Auch hier waren von den Frauen, die mindestens drei bis fünf Stunden in der Woche leichten Ausdauersport getrieben hatten, nur halb so viele an ihrer Krankheit gestorben wie von den Patientinnen, die kaum oder selten aktiv gewesen waren. 33-40
Bei den hormonabhängigen Tumorarten (wie z. B. Brustkrebs) wird der schützende Effekt von Bewegung besonders nach den Wechseljahren deutlich: Das Risiko reduziert sich um mindestens 20 Prozent, in einigen Studien sogar um bis zu 80 Prozent. 41 Vor den Wechseljahren war der Effekt schwächer.
Bewegung fördert außerdem – nicht nur bei Schulkindern – die kognitive Leistungsfähigkeit. Deshalb ist sie auch hilfreich bei Konzentrationsstörungen, die als Folge der Chemotherapie auftreten können (chemo brain). 42
Was kann Training bewegen?
Systematisches Ausdauertraining hat viele gesundheitsfördernde Wirkungen: Es hilft unter anderem bei koronarer Herzkranzgefäßverengung, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, chronischem Rückenschmerz sowie bei Kniegelenksarthrose. Bei mittelgradiger Depressivität kann es sogar als Alternative zu Psychopharmaka und Psychotherapie eingesetzt werden. 43
Auf welche Weise Bewegung gegen Krebs wirkt, hat mehrere Ursachen und ist auch noch nicht bis ins letzte Detail geklärt. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei aber sicher der Abbau von Fettzellen. Weil diese Zellen in geringem Maße auch Östrogene bilden, fördern sie zum Beispiel Brustkrebs.
Sport senkt außerdem den Insulinspiegel im Blut, der im Verdacht steht, bei dauerhafter Erhöhung ein Risikofaktor für Krebs zu sein, weil er zur vermehrten Produktion eines Wachstumsfaktors führt (des insulinähnlichen IGF-1). 44 Umgekehrt erhöht körperliche Anstrengung ein Globulin, das Sexualhormone bindet. Bei Männern wird dann zum Beispiel Testosteron, ein Risikofaktor für Prostatakrebs, in stärkerem Ausmaß in der Muskulatur gespeichert. 45
Regelmäßige Bewegung stärkt darüber hinaus das Immunsystem und führt unter anderem zu einem Anstieg der sogenannten natürlichen Killerzellen. Auch die Zahl der Neutrophilen, also auf die Abwehr spezialisierte weiße Blutkörperchen, steigt. Stresshormone werden dagegen abgebaut. Nicht zuletzt steigert Sport die Stressresistenz, wirkt Isolation entgegen und stärkt Körpergefühl wie auch ein positives Selbstbild.
Training während und nach der Krebserkrankung
Körperliche Aktivität ist in allen Phasen der Erkrankung möglich: von der Diagnosestellung an, bei Behandlungsbeginn, während der stationären Phase, in Rehabilitation und Nachsorge und selbst bei unheilbar kranken (Palliativ-)Patienten, die dazu in der Lage sind.
Sogar unmittelbar nach einer Hochdosischemotherapie und einer Stammzelltransplantation, also im Zustand größter Schwäche, bringt Bewegung eine Verbesserung: Fernando Dimeo, Sportmediziner an der Berliner Charite, ließ solche Patienten noch im Bett ein Intervalltraining mit einem im Bett installierten Fahrradergometer absolvieren: eine Minute treten, eine Minute Pause, fünfzehnmal wiederholt. Diejenigen Patienten, die auf diese Weise trainierten, hatten im Vergleich zu der ruhenden Kontrollgruppe einen deutlich geringeren Verlust an Leistungsfähigkeit und eine bessere psychische Befindlichkeit zum Zeitpunkt der Entlassung. Zudem war die Dauer des Krankenhausaufenthalts in der Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant kürzer. 46
Auch eine Studie des Rehabilitationsmediziners Freerk T. Baumann an der Deutschen Sporthochschule Köln zeigte, dass Fahrradergometertraining (bei einer Herzfrequenz von 180 minus Lebensalter) parallel zu einer Hochdosis-Chemotherapie gut verträglich ist und die Belastbarkeit der Patienten steigert. Die Befindlichkeit der Patienten nach einer
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