Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)

umgehen.
    Ellie konnte den Gedanken nicht vertreiben, dass die Ehe der beiden an einer für beide wichtigen Stelle entgleist war und sie im Zuge dessen die Fähigkeit verloren hatten, Kompromisse einzugehen. Ellie war in sehr jungen Jahren zwei Mal Mutter geworden, und beide Male so überraschend und schnell, dass sie das Gefühl, darauf zu warten, schwanger zu sein, gar nicht kannte. Tatsächlich war Ellie, bevor sie Jo kennenlernte, noch nie auf die Idee gekommen, dass es Frauen gab, die sich sehnlichst Kinder wünschten, aber keine bekommen konnten. Das einzige Mal, dass sie sich mit einem ähnlichen Problem konfrontiert gesehen hatte, war in dem Film
Magnolien aus Stahl
gewesen. Darin spielte Julia Roberts eine Frau, die ihr Leben riskiert, um ein Kind zu bekommen. Dieser Wunsch schien so ursprünglich und stark, dass es kein Wunder war, dass er eine an und für sich gut funktionierende Beziehung zerstören konnte.
    So wie Jo und Nick mit den Kindern spielten, hätte man nie vermutet, dass sie keine Eltern waren. Sie wirkten vertraut miteinander, positiv und sogar liebevoll.
    So langsam konnte Ellie sich ein Bild machen. Sie war sich nicht sicher, aber es erschien ihr gut möglich, dass Jo und Nick einmal eine sehr starke und liebevolle Ehe geführt hatten. Dann waren sie über die Frage nach einer Adoption in eine Sackgasse geraten und schliefen seitdem in getrennten Schlafzimmern. Wie auch immer ihre Vereinbarung aussah – er arbeitete und bezahlte die Rechnungen, und sie kümmerte sich ums Haus –, es schien immerhin noch ein Rest Liebe übrig zu sein. Dennoch flirtete Nick mit anderen Frauen und näherte sich ihnen auf eine sehr eigene und unbeholfene Art. Lag es daran, dass er sich einsam fühlte? Lechzte er nach Liebe und brauchte etwas, das sein Selbstwertgefühl stärkte?
    „Das war so ein schöner Tag“, sagte Jo zu Ellie. „Wie du weißt, habe ich Freunde in dieser Stadt. Eine ganze Menge sogar, aber ich glaube, keine der Frauen, die ich zum Teil schon seit zwanzig Jahren kenne, steht mir so nah wie du. Irgendetwas ist anders, seitdem du hier wohnst. Wenn ich die Tochter, die ich immer haben wollte, gehabt hätte, wäre sie vermutlich in deinem Alter. Sie hätte vielleicht auch Kinder wie Danielle und Trevor.“ Sie hielt kurz inne. „Ich hoffe, ich bin dir jetzt nicht zu nahe getreten?“
    „Ach, Jo. Du bist so süß! Wenn ich mir meine Mutter hätte aussuchen dürfen, dann wäre es jemand wie du gewesen. Jemand, der so nett und aufrecht und zuverlässig ist wie du. Jemand, auf den man sich verlassen kann.“ Während sie sprach, hatte sie den Eindruck, dass Jos Augen auf einmal ein wenig feucht schimmerten.
    So war es also – Jo und Nick hatten sich getrennt, obwohl sie noch unter einem Dach lebten. Die Bitterkeit über ihre jeweiligen seelischen Wunden hatte zu Nicks schlechtem Benehmen und seinem schlechten Ruf geführt, und Jo war einsam und konnte nicht mehr erhobenen Hauptes durch ihre Stadt gehen.
    Ellie fragte sich, ob es wohl möglich wäre, dass sie ihren zwanzig Jahre dauernden Disput auflösen und noch einmal von vorne beginnen könnten.

7. KAPITEL
    A ls Paul und Vanessa Haggerty sich entschieden hatten, lieber in Virgin River als in Pauls Haus in Grants Pass, Oregon, zu wohnen, hatte er einen Teil des familieneigenen Bauunternehmens nach Virgin River mitgenommen und neu aufgebaut. Diese Entscheidung hatte sich seitdem schon mehrfach als gut herausgestellt, aber sie bedeutete auch, dass Paul einmal im Monat zu den Versammlungen mit seinem Vater und seinen Brüdern nach Grants Pass fahren musste. Vanni und der kleine Matt, der inzwischen achtzehn Monate alt war, begleiteten ihn fast immer auf diesen Reisen. Doch diesmal hatte Vanessa keine Zeit – sie half ihrer Cousine Shelby bei der Hochzeitsplanung. Also entschied sich Paul, lieber donnerstags loszufahren und Freitagnachmittag zurückzukommen, als das Wochenende ohne seine Familie zu verbringen.
    Als er im Büro eintraf, begrüßte ihn sein Bruder North mit den Worten: „Hey, das nenne ich perfektes Timing. Ich habe gerade mit einem Anwalt namens Hanson gesprochen. Klingelt es bei dir, wenn du den Namen Terry Bradford hörst?“
    Die Vergangenheit holte Paul ein. „Ja, wieso?“
    „Scheint so, als sei sie vor Kurzem gestorben. Autounfall oder so. Der Anwalt rief an, weil sie ein Testament hinterlassen hat.“
    „Gestorben?“, fragte er verblüfft. „Ein Testament?“
    „Das hat er gesagt. Offensichtlich hat sie dir