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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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Augen durch ihre dicken Brillengläser, während sie langsam, mit kratzendem Füller, einen Brief an einen Freund in Bayern schrieb.
    Eliot war außerstande, sich zu konzentrieren. Im Geiste spielte er immer wieder die Auseinandersetzung mit Mike durch, und Adrenalin durchströmte seinen Körper, als er sich vorstellte, wie er dem widerlichen Kerl ins Gesicht boxte.
    Aber Mike war nicht das Einzige, das es ihm heute Abend unmöglich machte zu arbeiten. Es gab da noch zwei weitere Dinge.
    Aufgeschlagene Enzyklopädien lagen vor Eliot. Er hatte Nachforschungen über Newtons psychischen Zusammenbruch 1675 angestellt, aber ein Großteil des Texts war mit einem schwarzen Filzstift durchgestrichen worden. Eliot schloss
daraus, dass diese redigierten Passagen von Newtons Interesse an der Alchemie handelten. 3
    Manchmal machte es ihn so wütend, die Seiten mit ihren Zebrastreifen zu sehen, dass er die besudelten Bücher quer durchs Zimmer schleudern wollte.
    Das war Großmutters Regel 55 in Aktion:
    Regel 55
    Keine Bücher, Comics, Filme oder andere Medien aus den Genres Science Fiction, Fantasy oder Horror, insbesondere (aber nicht ausschließlich) keine über Okkultes oder Pseudowissenschaften (Alchemie, Spiritualität, Numerologie etc.) oder jegliche Werke, die antike oder moderne Mythologie behandeln.
    Eliot nannte das die Nichts-Ausgedachtes-Regel.
    Großmutter bezeichnete derartige Texte als »gehirnzersetzendes Zuckerwerk für beschränkte Geister«.
    Also wirklich! Wie sollte er denn einen guten Aufsatz schreiben, wenn alle kernigen Stellen geschwärzt waren? Sie hätte es ja wenigstens dabei bewenden lassen können, nur eine Linie durch den unerwünschten Text zu ziehen, so dass er sehen konnte, worum es überhaupt ging.
    Doch Regel 55 und Mikes Schikanen gehörten zu den normalen Seltsamkeiten seines Lebens. Aber das, was sie heute Abend alle beschäftigte, nicht.

    Großmutter kam aus der Küche ins Esszimmer. Ihr Gesicht war eine Maske der Konzentration, und ihre grauen Augen sahen aus, als starrten sie etwas an, das sich meilenweit entfernt befand.
    Ihr gewöhnlich anmutiger Gang war angespannt, als würde sie damit rechnen, dass irgendetwas sie aus den Schatten heraus ansprang. Aber das war albern. Großmutter hatte nie Angst vor irgendetwas.
    Doch ihre Stimmung war ansteckend, und Eliot spürte, wie ihm die Wirbelsäule entlang ein Schauer über die Haut lief.
    Großmutter blieb stehen und legte den Kopf schief, wie um zu horchen. Dann fuhr sie sich mit beiden Händen durch ihr kurzes, silbergraues Haar und sagte: »Ich überprüfe das Untergeschoss und die Seitentüren.«
    Das war ihr allabendlicher Sicherheitscheck im Gebäude. Es gehörte zu ihren Pflichten als Hausmeisterin und war ganz normal. Dass sie ihnen aber wie zur Warnung sagte, dass sie es tun würde, war nicht normal.
    »Natürlich«, sagte Cee. Ihr Lächeln erwachte zum Leben; sie legte den Füller ab und presste die zitternden Hände aneinander. »Ich wollte gerade Tee aufgießen. Sollen wir auf dich warten?«
    Großmutter marschierte zur Wohnungstür; ihre Stiefel klapperten auf dem Hartholz.
    »Nein«, rief sie zurück. Als sie die Tür öffnete, hielt sie kurz inne und sagte: »Eliot, lies weiter.«
    Eliot sah sofort nach unten.
    Er hörte, wie die Tür zufiel und der Riegel einschnappte.
    Nichts machte Großmutter Angst. Nichts. Das Einzige, was ihrer Alles-unter-Kontrolle-Rüstung einen Kratzer versetzen konnte, war, wenn Eliot und Fiona nach ihren Eltern fragten.
    Eliot sah sich selbst nie als Waisenkind. Waisenkinder waren Kinder wie David Copperfield, die in staatlichen Gulags hausten. Er und Fiona hatten eine Familie, ein Zuhause, und keiner von ihnen beiden erinnerte sich an ihre Mutter oder ihren Vater.
    Aber jedes Mal, wenn sie fragten, erklärte Großmutter geduldig,
dass es auf See einen schrecklichen Unfall gegeben hätte. Eliot und Fiona waren damals noch Babys gewesen. Großmutter und Cecilia waren die einzigen Angehörigen, also hatten sie sie natürlich bei sich aufgenommen. Nein, es gab keine Fotos. Alles war an Bord des versunkenen Schiffs.
    Wann immer Großmutter ihnen diese Geschichte erzählte, knautschten sich ihre glatten Züge zusammen, und Falten überzogen ihre Stirn – nicht so sehr vor Schmerz; es wirkte eher so, als sei es körperlich anstrengend für sie, die Worte zu formen.
    Aber selbst das war nichts gegen das, was sie heute Abend umtrieb. Der Blick, den Eliot in ihren Augen gesehen hatte … er war

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