Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
seiner Mutter je für ihn getan hatte.
»Es sind gar nicht mal die Schufte, die einen in unserem Geschäft irgendwann erwischen«, hatte Marcus einmal zu Robert gesagt, »sondern unsere Bosse. Man fängt an, sie als Leute zu betrachten, und das ist gefährlich. Sie sind eher Naturgewalten als Menschen aus Fleisch und Blut. Wenn man das aus den Augen verliert und ihnen einmal in die Quere kommt … dann könnte man genauso gut versuchen, sich aus einem Tsunami wieder herauszureden.«
Und genau das war geschehen.
Marcus war Ms. Audrey Post in die Quere gekommen. Niemand hatte Robert das erzählt, aber es war die einzig sinnvolle Erklärung dafür, dass sein Mentor spurlos verschwunden war und Robert ihn ersetzt hatte.
Robert hatte versucht, seine Gefühle zu verbergen, als er den Posts die Nachricht des Rats überbracht hatte. Doch Ms. Post hatte ihm geradewegs in die Seele geblickt und alles gesehen. In dem Augenblick waren jegliche Rachepläne erstickt worden.
Aber das waren Probleme der Vergangenheit. Seine Schwierigkeiten im Hier und Jetzt zeigten plötzlich ihr unerfreuliches wahres Gesicht: Die acht Banditos drehten sich auf den Barhockern um.
»Hey, chico «, sagte einer von ihnen. »Komm hier rüber. Wir wollen mit dir reden.«
Wenn Robert jetzt seinen Spielzug machte, würden sie alle zu schießen beginnen. Aber wenn er mitspielte, würden ebenfalls allerlei unschöne Dinge geschehen.
Keine große Wahl.
Er griff nach seiner Pistole.
Langsam schwang die Vordertür auf. Das Sonnenlicht ließ sie alle blinzeln, Robert mit eingeschlossen.
Die Banditos drehten sich um – sogar betrunken bemerkten sie, dass etwas nicht stimmte. Die Tür war verriegelt gewesen. Sie hätte nicht einfach so aufgehen sollen; wenigstens nicht, wenn sie nicht aus den Angeln getreten worden war.
In der Tür stand ein amerikanischer Tourist mit Hawaiihemd, Khakishorts, Badelatschen und einem lächerlichen Strohhut.
» Buenas tardes «, lallte der Mann, stolperte herein und ließ die Tür hinter sich zufallen.
Er kippte an die Bar und schlug mit der Faust darauf. »Barkeeper, cervezas y tequila !« Er griff in die Tasche und zog mehrere Handvoll Zwanzigdollarscheine hervor.
Als kein Barkeeper erschien, zuckte der Mann die Schultern, griff hinter die Theke und schnappte sich eine Flasche Cuervo und ein Schnapsglas.
Er wandte sich zu den Banditos um, stolperte und fiel mitten in die Gruppe.
Sie stießen ihn weg. Er zappelte zwischen ihnen herum und rammte ihnen versehentlich die Ellenbogen in die Rippen.
»Ich bitte tausendmal um Entschuldigung. Ich geb’ euch einen aus, amigos .« Er ließ noch ein paar zerknautschte Banknoten auf die Theke fallen.
Dann schwankte der Fremde zu Roberts Tisch.
Die Banditos lachten, schaufelten das Geld von der Theke und beschlossen, sich erst einmal anzusehen, was dieser reiche amerikanische Trottel als Nächstes tun würde, bevor sie ihm die Arme ausrenkten.
»Guten Tag, Robert«, sagte der Mann vollkommen nüchtern, als er sich gegenüber von Robert niederließ. »Wie geht es dir?«
Der Mann, der Robert gegenübersaß, wechselte seinen Namen so oft wie andere Leute das Hemd. Er war der Große Böse Wolf, Loki der Listenreiche, Hernandez del Moro oder einfach Hermes genannt worden – aber all diese Leute waren ein und dieselbe Person. Sein Boss, Mr. Henry Mimes.
Robert war sich nicht ganz sicher, wie er das schaffte – ihn in seiner Freizeit zu finden und verriegelte Türen von der anderen Seite zu öffnen. Und warum um alles in der Welt hatte er nicht einfach sein Handy benutzt, wenn er nur mit ihm hatte reden wollen?
Alles, was er sicher wusste, war, dass Mr. Mimes gut darin war, Dinge zu finden … besonders Schwierigkeiten.
»Müssen Sie heute Nachmittag irgendwohin gefahren werden, Sir?«, fragte Robert.
Robert behielt die Banditos im Auge, die miteinander flüsterten. Obwohl der amerikanische Tourist sie zu amüsieren schien, verkomplizierte er ihre Pläne. Auch reiche Amerikaner pflegten wie Hyänen in Rudeln zu reisen.
Mr. Mimes sah das restliche Salz an, das noch auf dem Tisch verstreut war. »Schwelgst du in Erinnerungen? Das ist eine Angewohnheit, die ich mir nicht leiste. Es führt nur zu Verdrießlichkeit, und die steht auf meiner Liste geschmackloser Verhaltensweisen gleich neben Nasenbohren und Weinen auf Hochzeiten.« Er lächelte Robert rasch zu und klopfte auf den Punkt, der für Istanbul stand. »Weißt du, was mir am besten an dir gefallen hat, als wir uns
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