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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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sich falsch an. Musik gab ihm Macht über die Dinge, von denen er in seinem Spiel erzählte. Niemand durfte diese Art von Kontrolle über Fiona ausüben.
    Er beschloss, erst an der Tür zu arbeiten. Einen Schritt zur Zeit. Erst einmal einen Weg finden, die Tür zurückzuholen und sie zu öffnen. Dann konnte er auf der anderen Seite seine Schwester ausfindig machen.
    Er erinnerte sich an das schneebedeckte Tal, ein Fest, das im Gange war, lachende und singende Leute und die Musik, die sie begleitet hatte. Eliot hatte das Lied früher schon gehört (trotz Regel 34) – es war zu jedem Jahreswechsel durch die dünnen Wände der Oakwood Apartments gedrungen.
    Eliot begann, es zu summen, hielt dann aber inne, weil er nur imstande war, sich an ein kurzes Stück zu erinnern. Er wandte sich an Robert: »Kennst du dieses Lied?«
    »Wer kennt es nicht?« Robert wirkte fassungslos.
    »Singst du es bitte für mich?«
    »Glaub mir, du willst nicht, dass ich überhaupt irgendetwas singe!«
    »Ich muss es hören, um die Tür zu öffnen.«
    Robert stöhnte, sah sich um, seufzte dann, räusperte sich und sang: » Should old acquaintance be forgot, and never brought to mind? Should old acquaintance be forgot, and auld lang syne … « 66

    Die Melodie war recht einfach. Eliot spielte sie auf Frau Morgenröte nach und baute dann darauf auf, fügte eine melodische Wendung für den fallenden Schnee hinzu und einen Triller, der für die Feuerwerkskörper stand, die über das Bergtal hinwegschossen.
    Die Ziegel in der Wand bekamen Risse. Die Temperatur des Raumes sank unter den Gefrierpunkt.
    Eliot flocht eine Harmonie mit ein, die ihn an das Gelächter erinnerte, das er im Tal gehört hatte. Er streute ein paar Töne für das Mondlicht ein, das auf dem Schnee glitzerte, und für den Widerschein der Polarlichter am Nachthimmel.
    Das Portal wurde breiter: Es bestand nicht länger aus bloßer Farbe auf Ziegel, sondern aus echtem Holz mit eisernen Angeln. Der Türgriff, der in einer Fuge im Mörtel steckte, ratterte und richtete sich mit einem Klacken auf.
    Eliot spielte schneller und trat einen Schritt auf die Tür zu.
    Der Türgriff drehte sich langsam.
    Aber die Musik glitt ab. Ein einzelner Ton brach nach unten aus, während Eliot gewollt hatte, dass die Melodie aufwärtsging.
    Es geschah schon wieder: Er verlor die Kontrolle.
    Ärgerlich verstärkte er seinen Griff, rang mit Frau Morgenröte, versuchte, das Musikstück zu beherrschen.
    Der Finger, in den er sich geschnitten hatte, pochte vor Schmerz, und er spürte, wie das heiße Gift die Ader in seinem Handgelenk hinaufdrängte.
    Was, wenn die Musik etwas wusste, das er nicht wusste? Vielleicht war es besser, sie loszulassen und auf ihr zu reiten, wohin sie ihn auch tragen wollte.
    Zögernd lockerte er den Griff. Die Musik veränderte sich, wurde zu einem schnellen Tanzlied, und Eliots Zehen begannen, den Takt zu klopfen. Aber die Stimmung wurde düsterer. Alle Freude verwandelte sich in Melancholie. Der Spaß wurde Schmerz. Es war dieselbe Musik, nur zu etwas Schrecklichem verdreht.
    Der uhrwerkartige Mechanismus auf dem Türgriff klackte – und die Tür schwang auf.

    Eliot hörte zu spielen auf und legte die Hand auf die Saiten.
    Es war wahrscheinlich das Beste, sich von der Musik nur bis hierher tragen zu lassen.
    Robert starrte die geöffnete Tür an. Sein Atem gefror, als er sagte: »Gute Arbeit.«
    Hinter der Tür sah es aus wie im Innern einer Schneekugel. Eine dicke, weiße Schicht bedeckte Hügel und Wälder; alles glänzte. Das Dorf war noch immer dort in der Ferne, von Kerzen und blinkenden Weihnachtslichterketten erhellt. Leute sangen das Silvesterlied, und als es zu Ende ging, schossen Feuerwerkskörper in den Himmel.
    Es war alles genauso. Ganz genauso. Wie ein Déjà-vu-Erlebnis.
    Nur dass der Schnee in der Nähe der Tür Vertiefungen aufwies, dort, wo Fiona hingefallen war. Fußspuren führten immer wieder im Kreis herum, doch diese Spuren waren vom fallenden Schnee fast schon wieder gefüllt.
    »Sie muss versucht haben, diese Tür zu öffnen«, sagte Robert, »oder vielleicht konnte sie sie überhaupt nicht finden. Das könnte ein Problem sein, von der anderen Seite.«
    Robert wühlte im Schutt herum, fand ein Stemmeisen und schob es als Keil unter die Tür.
    Wie lange war Fiona dort draußen herumgewandert? Eliot streckte die Hand durch die Tür. Schneeflocken landeten auf seiner Handfläche, und es dauerte mehrere Sekunden lang, bis sie schmolzen. Es war sehr kalt.

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