Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
sich daran, wie der verkleidete Louis Fiona
hindurchgestoßen und die Tür dann hinter ihr zugeschlagen hatte. Die Temperaturen in dem Tal hatten unter dem Gefrierpunkt gelegen. Fiona konnte jetzt schon unterkühlt sein.
Eliot verstand nicht, warum Louis das getan hatte. Vielleicht, um seine Schwester vor den Schlägern in der Bar zu beschützen. Wenn ja, warum hatte er Eliot aber dann nicht mit hindurchgestoßen? Und vorher hatte Louis ihr seine Jacke gegeben, als ob er sich wirklich um sie sorgen würde. Es war unlogisch.
»Jetzt besteht sie nur noch aus Ziegelsteinen und Farbe. Aber sie war hier.«
»Ich weiß.« Robert schob seine Pistole in ein Holster. Er starrte den Türgriff auf dem Boden an, als hätte er Angst, ihn zu berühren.
Zum Glück fragte er nicht, wie das hier je eine echte Tür hätte sein können. Er glaubte Eliot. Doch vermutlich bekam er, da er für Onkel Henry arbeitete, andauernd so etwas zu sehen.
Dennoch wirkte Robert – obwohl er viel zu cool war, um nach Eliots Maßstäben normal zu sein – sehr menschlich. Es beruhigte Eliot zu wissen, dass jemand all diesem Wahnsinn ausgesetzt sein und doch ein mehr oder minder netter Kerl bleiben konnte, im Gegensatz zum Rest der Familie. Sie waren so grausam – und allesamt Lügner.
»Wie ist es, für Henry zu arbeiten?«
»Was?« Robert sah verblüfft drein. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt für Fragen! Wir müssen einen Weg finden, deine Schwester da wieder herauszuholen.«
Eliot nickte, fragte aber dennoch. »Ich meine, ist er ein guter Kerl?«
Robert seufzte. »Ja, er ist der Beste.« Rührung spiegelte sich auf seinem Gesicht; dann riss er den Blick endlich von der Tür los. »Wirklich, das ist er. Die meiste Zeit über verstehe ich nicht einmal die Hälfte von dem, was er tut oder sagt – aber er ist mir gegenüber immer anständig gewesen, sogar nett, und ich schätze, er hat mir mehr als einmal den Hals gerettet.«
Eliot merkte, dass es weitaus mehr gab, Dinge, die Robert ihm nicht erzählte, aber er spürte genug Wahrheit in dem, was er sagte, um sich zufriedenzugeben.
Also richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Tür. Eliot hob den Griff auf, der aus massivem Messing bestand und spiegelglatt poliert war. Er steckte ihn zurück in die Wand, wo er sich befunden hatte, aber nichts geschah.
»Als sie vorhin aufgegangen ist, sah es aus, als ob die Tür klemmen würde. Es hat viel Kraft erfordert, sie aufzubekommen. Vielleicht schaffen wir es nur gemeinsam.«
»Ich habe über solche Dinge bisher nur reden hören.« Robert strich vorsichtig mit einem Finger am Rand der Tür entlang. »Es wird viel mehr als Muskelkraft brauchen, um sie zu öffnen.«
»Was zum Beispiel?«
Robert zuckte die Schultern. »Magie ist eher dein Gebiet.«
Magie? Großmutter hatte immer viel Wert darauf gelegt, ihm und Fiona zu erklären, dass es dergleichen nicht gab. Magie war »die Art, wie der primitive Verstand Naturphänomene missdeutet«. Deshalb strich sie alle diesbezüglichen Passagen in ihren Büchern durch, damit ihre Vernunft nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Aber was war mit all dem, was Eliot inzwischen gesehen hatte? Souhk? Mr. Millhouse? Und wie hatte er all diese Ratten gerufen? Das Feuer auf sein Lied antworten lassen? Einen Nebel voller Albträume heraufbeschworen?
Vielleicht hatte Großmutter ihnen den Volksglauben und die Märchen verboten, weil sie echt waren. Und gefährlich.
Es spielte keine Rolle, wie man es nannte, echt oder erfunden, Mythos oder Wissenschaft. Wie Tante Dallas ihnen erklärt hatte, musste man manche Dinge einfach hinnehmen, um mit einem Teil seines Verstandes zu kommunizieren, der über keinerlei Sprache verfügte. Um zu lernen, ihn zu benutzen und zu kontrollieren … bevor er einen selbst kontrollierte.
»In Ordnung«, sagte Eliot leise. »Gib mir eine Sekunde, um eine Lösung zu finden.«
Eliot setzte sich Frau Morgenröte auf die Schulter und berührte ihre Saiten mit dem Bogen. Er klopfte einen Rhythmus im Takt mit seinem Herzschlag. Die schwachen Vibrationen klärten seine Gedanken.
Eliot hatte schon mehrfach einen Weg zu etwas gefunden: Souhk, Amanda Lane, sogar zu dem Goldenen Apfel, der in jenem versiegelten Behälter gelegen hatte. Also war alles, was er tun musste, Fionas Lied zu komponieren. Das würde ihn geradewegs zu ihr führen.
Aber alles zu nehmen, was er über seine Schwester wusste, und es von innen nach außen zu tragen, so dass jeder es hören konnte, fühlte
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