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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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Geige auf den Schoß und ließ den Daumen über das schartige Griffbrett gleiten, obwohl das völlig sinnlos war. Alle Saiten fehlten.
    Die Musik in Eliots Kopf erstarb.
    Er hätte alles gegeben, um ihn spielen zu hören.
    Das Lächeln des Mannes verschwand, und er hielt seine Mütze über die Geige.
    Eliot biss sich in die Unterlippe, rollte seine Pausenbrottüte auf und fischte die zwei 25-Cent-Stücke heraus.
    Fiona blieb stehen und beobachtete ihn. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und schüttelte den Kopf.
    Es kümmerte Eliot nicht, was seine Schwester dachte; das Geld gehörte ihm, und er konnte es ausgeben, wofür er wollte.
    »Sie sollten sich ein paar Saiten kaufen«, flüsterte Eliot dem alten Mann zu. »Ich wette, Sie könnten mehr Geld verdienen, wenn Sie ein bisschen spielen würden.« Er ließ die Münzen in die Mütze fallen.
    Der Mann packte die Geldstücke, rieb sie aneinander, warf einen liebevollen Blick auf die Violine und sah dann wieder zu Eliot hoch. Er sagte nichts, aber aus seinen stumpfen, blauen Augen quollen Tränen.

2
    Schokoladenherz
    Fiona konnte nicht fassen, was ihr Bruder da tat. Sie sah zu, wie er die Geldstücke in die Baseballmütze des Penners fallen ließ. Obwohl sie nur zehn Minuten älter war als Eliot, hatte sie manchmal den Eindruck, dass es auch zehn Jahre hätten sein können. Warum war er nur so kindisch?

    Sie marschierte zurück, um ihn loszueisen, bevor er auch noch sein Mittagessen verschenken konnte.
    Der alte Mann sah von Eliot zu ihr, und sein Blick verhärtete sich.
    Er musterte sie. Es war nicht die Art, auf die Jungen sie manchmal ansahen. Sie hatte gehört, dass die anderen Mädchen dieses Mustern »Fahrstuhlaugen« nannten. Das hier war eher so, als ob er ihr durch die Haut hindurch bis auf die Knochen blicken würde.
    Jetzt konnte sie ihn auch riechen: Sardinen, ein Monat geronnenen Körpergeruchs und Rauch.
    Aber auch abgesehen von dem Gestank fühlte sie sich geradezu magnetisch abgestoßen. Sie wollte nur so weit wie möglich weg von diesem alten Mann. Er verursachte ihr eine Gänsehaut.
    Sie packte Eliot an der Hand, die untypischerweise eiskalt war.
    »Komm schon«, flüsterte sie. »Wir kommen noch zu spät!« Sie zerrte ihn zu sich.
    »Ja«, sagte er und sah noch immer zu dem alten Mann zurück.
    Sie setzten sich eilig in Trab.
    »Du hättest dein Geld genauso gut in den Gully werfen können«, sagte Fiona. »Der Kerl kann noch nicht mal spielen. Wahrscheinlich hat er die Geige da auf dem Müll gefunden.«
    »Natürlich kann er spielen«, murmelte Eliot und rieb sich die Hand. »Ich wette, er ist sogar gut.«
    Eliot war manchmal zu nett, und Leute wie dieser Penner nutzten ihn aus. Einen Moment lang dachte sie daran, umzukehren und sein Geld zurückzuholen. Aber vielleicht war es besser, wenn Eliot lernte, dass nicht jeder nach Großmutters 106 Regeln lebte. Mit 50 Cents war diese Lehre nicht zu teuer bezahlt.
    Er hatte diesen dämlichen Gesichtsausdruck, wie immer, wenn er über Musik sprach. Fiona wusste, dass es keinen Sinn gehabt hätte, Eliot einen Vortrag über Regel 34 zu halten – man hätte genauso gut einem Mülleimer etwas über Ästhetik oder
einer Ziegelmauer etwas über Aerodynamik erzählen können.
    Sie fragte sich, wie das Leben wohl gewesen wäre, wenn sie nicht auf ihn hätte aufpassen müssen. Eliot versuchte immer, sich um die Regeln herumzumogeln, und brachte sie beide in Schwierigkeiten.
    Doch ob sie nun wollte oder nicht, er war ihr Bruder – es war irgendwie so, als würde ihr ein dritter, mutierter Arm mitten aus der Brust wachsen. Er ging ihr auf die Nerven, aber sie konnte sich nicht dazu überwinden, ihn abzuschneiden.
    »Cee hat mir erzählt, dass du ein Adoptivkind bist«, sagte sie beiläufig. »Ich habe sogar die Geburtsurkunde gesehen. Darauf stand: ›Eliot Post. Sarcoptes scabiei .‹«
    Das war eine mikroskopisch kleine Milbe, die Krätze auslöste; die Symptome bestanden unter anderem in pickelähnlichem Hautausschlag und heftigem Juckreiz.
    Eliot kratzte sich am Kopf. »Du solltest die Nase nicht immer nur in medizinische Bücher stecken. Ich habe sie nämlich auch alle gelesen. Hast du’s nicht mehr richtig im Griff? Vielleicht eine Dosis Mycobacterium leprae abbekommen?«
    Das war der Bakterienstamm, der Lepra hervorrief und auch als Hansen-Bazillus bekannt war. Nette Doppeldeutigkeit.
    Sie bogen um die Ecke aus der Midway Avenue in die Vine Street. Auf der anderen Straßenseite lag der

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