Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
ertragen.
Sie drehte den Hahn auf und stieg unter die Dusche. Das kalte Wasser erschreckte sie, aber sie entspannte sich, als es wärmer wurde. Es würde nicht lange vorhalten. Man hätte ja denken können, dass Großmutter als Hausmeisterin dafür gesorgt hätte, dass sie so viel heißes Wasser bekamen, wie sie brauchten. Schön wär’s gewesen …
Fiona öffnete eine Flasche von Cees selbstgemachtem Shampoo. Scharfe, desinfizierende Dämpfe erfüllten die Luft. Cee stellte das Zeug her, indem sie tierisches Fett auf dem Küchenherd erhitzte, reine Lauge für den Industriegebrauch zugab und dann noch giftige Kräuter und Alkohol hineinmischte. Ekel erregend. Allerdings reinigte es die Poren, wusch Schmutz, Öl und ein paar Lagen Kopfhaut ab. Fiona schabte den Gestank von Ringo’s ab, bis ihre Haut sich rötete.
Ein Gutes hatten die neue Familie und ihre Prüfungen: Fiona würde heute nicht zur Arbeit müssen.
Onkel Henry hatte gesagt, das alles sei wie ein Sorgerechtsstreit. Aber ein Streit fand zwischen zwei oder mehr Seiten statt; welche Rolle spielten also die Verwandten ihres Vaters bei alldem? Warum hatten sie keinen Brief geschickt oder sich gemeldet?
Das Wasser wurde kalt. Fiona stieg aus der Dusche und rubbelte sich trocken.
Sie wischte den Spiegel ab und sah, dass ihr Haar sich zu schwarzen Bändern gelockt hatte, die sogar noch üppiger waren als vorher. Es würde zu einem krausen Gewirr werden, wenn es trocknete, da war sie sich sicher; deshalb schwor sie sich, dass sie heute in keinen Spiegel mehr sehen würde.
Sie zog sich Kordhosen, ein weißes Hemd und Stiefel an. Das waren ihre »wagemutigsten« Kleider. Sie ließen sie wie Großmutter aussehen und verliehen ihr das Gefühl, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können.
Sie konnte es mit der ganzen Welt aufnehmen.
Fiona öffnete die Tür, trat auf den Flur und rannte beinahe Eliot um.
»Hallo«, sagte Eliot und gähnte. »Ist noch heißes Wasser übrig?«
Sie öffnete den Mund, um ihn als Eudyptula albosignata 24 zu bezeichnen. Als ihr einfiel, wie wütend sie auf ihn war, hielt sie jedoch inne. Er hatte eine geistreiche Beleidigung wie diese gar nicht verdient.
Sie hatten sich gestern Nacht gestritten, weil Eliot niemandem vertraute – als ob das hier irgendeine machiavellistische Intrige wäre. Er vertraute noch nicht einmal Großmutter, so dumm das auch war.
Fiona ging an ihm vorbei und rammte ihn unhöflich an der Schulter.
Sie sah sich um, und er starrte zurück. Seine Augen zogen sich zusammen … und, was weit wichtiger war, es kam noch nicht einmal eine beleidigende Silbe für sie zur Antwort.
Er war auch immer noch wütend auf sie. Gut.
Das war genau das, was Fiona wollte, auch wenn sie sich nicht sicher war, warum. Vielleicht war es, weil er Großmutter in Zweifel gezogen hatte, die einzige Konstante in ihrem Leben. Hatte sie nicht die letzten fünfzehn Jahre über versucht, sie vor Onkel Henry und den anderen zu schützen? Hatte sie sie nicht großgezogen, nachdem ihre Mutter und ihr Vater gestorben
waren? Großmutter nicht zu vertrauen war, als würde man nicht glauben, dass die Sonne aufgehen würde.
Fiona saß am Esstisch, und die ärgerlichen Gedanken verschwanden aus ihrem Kopf.
Sie roch Speck.
Cee kam mit einem Tablett mit Toast, randvollen Saftgläsern, einer Kaffeekanne, geschnittenem Obst und mindestens zwei Pfund knusprig gebratenem Speck herein. Strahlend stellte sie es auf dem Tisch ab.
»Helden müssen den Tag mit einem guten Frühstück beginnen«, sagte sie.
Der Toast war mit Butter bestrichen und golden. Es gab Grapefruithälften und Tangerinenstückchen, blaue Weintrauben und Apfelscheibchen. Fiona nahm eine Scheibe Speck und stopfte sie sich gierig in den Mund. Er war rauchig und knusprig und dekadent reichhaltig. Sie schnappte sich mit einer Hand noch mehr Speck und mit der anderen einen Stapel Toast.
Wundersamerweise war nichts angebrannt. Aber das Einzige, was sie ihre Urgroßmutter bis jetzt hatte zubereiten sehen, ohne dass es angebrannt wäre, war Tee. Und Speck? Wann hatten sie den je bekommen?
Cee goss ihr einen Becher Kaffee ein.
»Mann, das ist toll, Cee«, sagte sie mit halbvollem Mund.
Cee lächelte und tätschelte ihr die Hand. »Lass ein bisschen was für Eliot übrig. Ihr werdet heute beide eure Kraft brauchen.«
Fiona hörte auf zu kauen und erinnerte sich an das, was Cee gesagt hatte, bevor sie zu Onkel Henry gefahren waren. Lasst nicht zu, dass sie euch trennen. Gemeinsam
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