Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
kniff die Augen zusammen und spuckte aus. »Ich bin gegangen, weil der Job, den Sie anbieten, eine Falle ist, oder? Das machen Leute wie Sie doch. Erst Hoffnungen bei uns wecken und sie dann zerschmettern.«
Die Stimme des Mädchens erstarb, und ihr Ärger verflog, als sie begriff, dass sie vielleicht zu weit gegangen war – dass viele Dinge schlimmer waren als der Tod und dass sie vermutlich gerade vor einem dieser Dinge stand.
»Wir wecken bei niemandem ›Hoffnungen‹«, gurrte Sealiah. »Das tut ihr ganz allein.«
Sie nahm die Hand des Mädchens, zog und verdrehte sie. Die Innenseite des Unterarms war von einer Reihe von Nadelstichen übersät. »Wie ich schon sagte«, murmelte Sealiah, »du hast um ein bisschen mehr Spaß gespielt und verloren.« Sie ließ den Arm los. »Sag mir deinen Namen.«
Das Mädchen zog den Arm eng an ihre Brust, und ein Anflug des brennenden Hasses flackerte wieder in ihren Augen auf. »Ich bin Julie Marks.«
»Julie Marks. Was warst du früher? Eine sechzehnjährige Prostituierte? Aus irgendeinem Hinterhof von Atlanta?«
Julie wurde rot.
»Nun, vielleicht habe ich einen Job für dich, Julie Marks, einen, der reich belohnt wird. Keine Falle – aber erst eine Frage, um deine Sensibilität auszuloten. Was ist bei der Verführung das wertvollste körperliche Gut einer Frau?«
Julie sah überrascht drein, hatte sich aber rasch wieder unter Kontrolle und nahm ihre Figur nachdenklich in Augenschein. Ihr Körper war an den richtigen Stellen gerundet und an den anderen schlank.
Sealiah konnte mit solchem Material arbeiten. Das Make-up entfernen, sie etwas blasser machen, die Tätowierungen loswerden … sie mochte genau das sein, was sie brauchte. Vielleicht war sie sogar unwiderstehlich.
Aber sie brauchte so lange, um zu antworten. Sealiah befürchtete, das Mädchen würde gleich sagen, dass ihr kostbarstes Gut ihr »Gehirn« war – in dem Fall wäre es wohl das Beste, das dumme Ding gleich aus seinem Elend zu erlösen.
Julies Augen weiteten sich, und ihre schwarzen Fingernägel berührten ihre Kehle. »Der Hals?«
Konnte es sein, dass dieses Kind tatsächlich eine Ahnung hatte von diesen Dingen? »Warum?«
»Die anderen Teile«, antwortete Julie, »sind das, was zuerst angestarrt wird. Zu offensichtlich. Aber es gibt so eine Art von Sprache der Verführung. Man lockt einen Mann nahe zu sich heran, entblößt den Hals, und das ist wie eine Einladung, nicht wahr? Sie sind richtige Wölfe, besonders die ›Gentlemen‹. Es liegt ihnen im Blut, dass sie auf die Kehle losgehen.«
Also verstand sie tatsächlich ein bisschen etwas davon. Scheinbare Unterwürfigkeit. Der Instinkt, zuzubeißen und zu erobern. Das war eine mächtige Falle.
Und Julie Marks hatte in der Tat einen wunderschönen Hals. Sealiah fuhr mit einem Finger darüber. Das Mädchen versteifte sich, wagte es aber nicht, sich zu rühren. Sie hatte diese Art von durchscheinendem Fleisch und zierlichen Knochen, für die Michelangelo seine Seele verbrannt hätte, wenn er sie nur hätte einfangen können.
»Du genügst vielleicht.«
»Ja«, flüsterte Julie mit unterdrückter Wut. Ihr Mund bewegte
sich wortlos, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Meine Tante war eine Hexe. Kreolin. Und so alt wie der Sumpf. Sie sagte, dass man manchmal einen Handel mit dem Teufel schließen kann … Wenn man beim Würfeln gegen ihn gewinnt.«
Sealiahs Zorn loderte auf. Sumpfhexe! Das klang nach einer von Louis’ mystischen Begegnungen. Und wie sie ihn kannte, war auch etwas Verführung mit im Spiel gewesen.
Es war ein Skandal, dass dieses ordinäre Wesen hier vor ihr Würfel und Vertragsbedingungen verlangte. Das Mädchen hatte keinerlei Verbindung zu irgendeinem höllischen Clan: Sie hatte kein Recht zu würfeln. Sealiah ballte die Hände zu so festen Fäusten, dass ihr die Fingernägel in die Handflächen drangen.
Ihre Gefühlsaufwallung legte sich wieder, wie der Ozean nach einem Hurrikan zur Ruhe kommt. Zugegebenermaßen gab es ja auch keinen Grund, sie nicht würfeln zu lassen. Julie Marks bot ihr einen kompletten Nachmittag der Unterhaltung – das allein war schon Grund genug abzuwarten, wo das hier hinführen würde.
»Da du Würfel verlangt hast und ich angenommen habe, stecken wir nun in einem altbewährten Ritual fest«, sagte Sealiah. »Ich habe von dir verlangt, etwas für mich zu erledigen; du hast verlangt, um die Bedingungen zu würfeln. Ich werde die Bedingungen der Abmachung festlegen, wenn du
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