Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
verlierst; du setzt sie fest, wenn du gewinnst.«
Julie schluckte. »Kann ich alles verlangen?«
Sealiah nickte.
»Dann will ich weg aus der Hölle. Ich meine, ich will wieder leben. Können Sie das bewirken?«
Das Mädchen hatte Eisen in sich. Sie würde sich wirklich gut eignen. »Das darfst du verlangen«, antwortete Sealiah. »Aber umgekehrt darf ich, wenn ich gewinne, alle Bedingungen stellen, die ich möchte.«
Julie Marks zitterte, nickte aber.
Sealiah zog eine Naga des Dharma aus der Tasche. Ashmed hatte ihr einen der legendären Würfel nach der Aufsichtsratssitzung
geschenkt. Das ist ein ganz besonderes Geschenk , hatte er gesagt, für eine ganz besondere Frau . Sie hielt Julie den Würfel hin.
Sie nahm ihn. »Würfele ich einfach?«
»Nicht ganz. Das hier ist mein Reich, also darf ich den Schwierigkeitsgrad festlegen. Ich gebe dir eine Chance von eins zu sechs. Die anderen fünf gehören mir. Wähle deine Zahl.«
Julie wurde blass. »In Ordnung. Das ist zumindest eine größere Chance, als ich sie noch vor einer Sekunde hatte.« Sie drehte den Würfel immer wieder und sah die fein ziselierten Punkte an. »Diese hier.« Sie streckte Sealiah die Seite mit den sechs Raben hin. »Ich mag die Vögel.«
»Schwarze Vögel. Aasfresser, Weisheitsträger mit rasiermesserscharfem Blick. Eine gute Wahl. Würfel, Kind.«
Julie schwankte, als ob sie ohnmächtig werden würde. Sie öffnete die Hand … und ließ die Nagas des Dharma fallen.
Der Würfel traf die Erde, prallte ab, wirbelte eine Staubwolke auf, rollte noch ein Stück weiter und blieb dann liegen.
Die sechs Raben lagen oben.
Sealiah spürte, wie flatternde Flügelschläge die Luft pulsieren ließen; eine schwarze Feder schwebte herab und kam neben dem Würfel zum Liegen.
»Ich habe gewonnen«, sagte Julie, die Augen zum bedeckten Himmel erhoben. »Das alles hier kann mich mal – jetzt gehe ich aber echt!«
Sealiah hob die Naga auf. »Noch nicht.« Sie legte Julie eine Hand auf die Schulter, und das Mädchen zuckte zusammen. »Da ist noch diese Kleinigkeit, die Aufgabe, die du erst erfüllen musst: einen jungen Mann zu verführen.«
Julie war plötzlich ganz geschäftsmäßig. »Genau. Ich bin bereit. Wie heißt er?«
»Eliot. Eliot Post.«
Teil 3
Die Erste Heldenprüfung
19
Zerbrochen
Fiona räkelte sich, bevor sie endgültig aufwachte, ihr Bett machte und ihre Kleider bereitlegte. Ihr ganzes Leben lang hatten Zeitpläne den Tagesablauf bestimmt, und das war ihr in Fleisch und Blut übergegangen: Sie konnte selbst halb bewusstlos arbeiten.
Aber irgendwie musste sie falsch gelegen haben im Schlaf, denn ihr Arm pochte. Sie rieb sich den Ellenbogen und wollte ihre Hausaufgaben noch einmal durchsehen. Ihr Aufsatz über Isaac Newton lag auf dem Schreibtisch – nur halb fertig.
Panik durchzuckte ihr Herz. Großmutter nahm keine unfertigen Aufgaben hin. Sie würde Strafarbeiten und zusätzliche Hausarbeit aufgebürdet bekommen.
Nein. Würde sie nicht. Fiona war plötzlich so wach, als sei ihr eisiges Wasser ins Gesicht gespritzt worden. Es gab Gründe dafür, dass sie gestern Abend die Hausaufgaben nicht gemacht hatte.
Sie nahm ihren Arm in Augenschein: Der Ellenbogen war dort, wo Mike sie gepackt hatte, von blauen Flecken übersät.
Fiona ging zu ihrem Globus und zeichnete ihre Limousinenfahrt nach: die kalifornische Küste hinauf zum Nordpol und dann hinunter zum Mittelmeer.
Sie hob das Sweatshirt auf, das sie gestern getragen hatte, und hielt es sich an die Nase. Es roch nach Frittierfett, dem Leder des Autos und Meersalz – ein Beweis dafür, dass diese Ereignisse nicht nur ein Traum gewesen waren.
Eine völlig neue Familie war jetzt in ihr Leben getreten, Leute, die sie und ihren Bruder umbringen wollten, wenn sie ihre »Prüfungen« nicht bestanden. Sie hatte das Gefühl, dass
niemand sie mit mathematischen Rätseln oder Zen-Koans auf die Probe stellen würde. Wie hatte Onkel Aaron es genannt? »Heldenprüfungen«?
Wie bereitete man sich auf so etwas vor?
Sie kratzte sich am Kopf und zuckte zurück; das fettige Gefühl in ihren Haaren ekelte sie an.
Worin auch immer diese Familienprüfungen bestanden, sie wollte sauber sein, wenn sie sich ihnen stellte.
Sie marschierte ins Badezimmer, bevor Eliot ihr zuvorkommen konnte.
Fiona blieb vor dem Spiegel stehen. Ihr Haar ringelte sich in Spiralen. Sie wickelte einen Finger hinein und seufzte. Es musste weg. Es sah phantastisch aus, aber sie konnte das unsaubere Gefühl nicht
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