Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
immer die bessere Wahrheit.“
    „Aber die Zerstörungen, die Toten … Das können Sie doch nicht einfach unter den Teppich kehren.“
    „Nun ja, leider nicht. Aber dafür haben wir ja die Schuldigen. Wir wissen schließlich, wer dafür verantwortlich war.“
    „Free & easy.“
    Nicolay rollte die Augen zur Decke wie ein Lehrer, der sich mit einem besonders begriffsstutzigen Schüler abplagen muß.
    „Also wirklich, Rossi, jetzt werden Sie kindisch. Wollen Sie eigentlich nicht kapieren, was hier läuft, oder was geht in Ihrem Kopf vor? Wir können Free & easy nie beweisen, daß sie ein Attentat auf uns verübt haben.“
    „Wir könnten uns natürlich revanchieren. Aber dann schlagen sie wieder zurück, und das eskaliert endlos. Das hat keinen Sinn. Nein, wir werden uns gütlich mit ihnen einigen. Wir werden Anteile an ihrer Ferieninsel erwerben, und sie werden sich an Holiday World beteiligen. Kapitalverflechtung, verstehen Sie? Wir können uns dann untereinander absprechen, und obwohl, volkswirtschaftlich gesehen, ein Dyopol vorliegt, haben wir im Grunde genommen ein Monopol.“
    Er ereiferte sich auf roboterhafte Weise. Der Nationalökonom, der nur an Absatzkurven und nicht an Menschen dachte, ging mit ihm durch.
    „So ein Monopol ist natürlich optimal für die Gewinnmaximierung“, plauderte er weiter aus seinem rer. pol.-Nähkästchen. „Und wir sind zusammen so kapitalstark, daß wir jeden neuen Wettbewerber sofort eliminieren, bevor er seine Nase in den Wind gesteckt hat.“
    „Na prächtig“, sagte ich. „Und so reichen sich die streitenden Parteien auf dem Schlachtfeld brüderlich die Hände.“
    „So ist es“, nickte Nicolay zufrieden. Er hatte einfach keinen Sinn für Ironie.
    „Wen stört es schon, daß man knietief in Leichen watet“, fügte ich ätzend hinzu. „Höchstens ein paar Überempfindliche wie mich.“
    „Aber ich bitte Sie. Wegen der paar Eingeborenen.“
    „238“, murmelte ich und wunderte mich, daß das Glas in meiner Hand unter dem Druck nicht zersprang.
    „Wen interessiert das schon? Wenn wir bekanntgeben, daß diese Wilden unsere Urlaubsgebiete überfallen und unschuldige Touristen getötet haben, regt man sich höchstens auf, weil wir nicht mehr erwischt haben. Und bei den Leuten, die daran teilgenommen haben, ist die gestrige Sündenbockjagd hervorragend angekommen. Ist doch was anderes als auf Hirsche oder Fasane. Echte Wilde! Wie in der guten, alten Kolonialzeit.“
    Er bekam wieder seinen strategisch-sinnenden Blick. „Schade, daß man keinen Jagdschein dafür ausgeben kann. Aber man könnte Abenteuersafaris in den Dschungel anbieten. Wir drücken den Teilnehmern ein Gewehr in die Hand und sagen, wenn dich so ein Wilder angreift und du ihn in Notwehr erschießen mußt – Pech gehabt! Oder Glück, haha. Alles ganz legal. Hmmmh, wäre sicher eine interessante Marktlücke.“
    Ich glotzte ihn an. Es war nicht so sehr die Tatsache, daß er an sowas dachte. Was mich krank machte, war die Tatsache, daß er es nicht für ausgeschlossen hielt, so etwas realisieren zu können. Er war ein Amokläufer im Flanellanzug und mit tadellos gebundener Krawatte.
    „Aber die Urlauber, die hier auf Holiday World sind“, versuchte ich, sein Alibi-Programm zu durchlöchern. „Die wissen doch, daß nicht die Filipinos die Gewalttätigkeiten begangen haben, sondern daß sie sich selbst die Schädel eingeschlagen haben.“
    „Genau deshalb werden sie auch tunlichst darüber schweigen. Es war wie ein böser Dämon, der über sie gekommen ist. Sie wollen nicht mehr daran denken. Wir bieten ihnen ein gutes Alibi an. Sie werden es dankbar akzeptieren und in ein paar Tagen selber dran glauben. Jeder kriegt eine Woche Gratisurlaub, und nach einer repräsentativen Blitzumfrage wollen 98,5 wieder bei uns Urlaub machen.“
    „98,5?“ fragte ich ironisch. „Das erinnert mich an die Wahlergebnisse in totalitären Staaten.“
    „Aber ganz ohne Zwang“, sagte er glatt und sah aus dem Fenster. Ein Reflex auf seinem Brillengestell schien einen Lichtspeer nach mir zu schleudern. Er erinnerte mich an einen Computer-Mephisto. „Zwang ist schließlich altmodisch. Ein paar Euphorizer zur rechten Zeit, ein paar Top-Psychologen am rechten Ort, ein paar freundlich-suggestive Worte – und schon ist alles wieder im rechten Lot. Die modernen Beeinflussungstechniken sind sehr erfolgreich. Wir beherrschen nicht durchs ‚Nein’, sondern durchs ‚Ja’, nicht durch Verbote, sondern durch Angebote. Viel

Weitere Kostenlose Bücher