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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Überflußgesellschaft getrieben hatte.
    „Angegriffen, jawohl“, wiederholte Nicolay hartnäckig. „Fragen Sie ihn, wie viele von seiner Sippschaft noch auf der Insel sind.“
    „Über dreitausend“, sagte Roussel nach einigem Hin und Her.
    „Dreitausend“, flüsterte Nicolay. „Das ist ja eine ganze Armee! Eine akute Gefahr für uns!“
    „Na, na, na“, machte Roussel.
    Nicolay hörte gar nicht hin. Er sah aus wie ein Schachspieler, der weiß, daß sein Gegenspieler in zwei Zügen matt ist. Er glühte vor Genugtuung. „Das ist das Beste, was uns passieren konnte. Eine fast todsichere Sache, um aus dem Schlamassel rauszukommen.“
    Roussels Kopf flog hoch. Dann kapierte auch ich es.
    Es war eine todsichere Sache. Sicher für uns. Und tödlich für die Filipinos.
     
Heia Safari oder:
Halali zur Sündenbockjagd
     
    Dr. med. dent. Hartinger spähte über den Lauf seines Gewehres. Sein Finger krümmte sich um den Abzug. Ein Schuß krachte.
    Mit einem langgezogenen Schrei stürzte eine Gestalt in schlabbrigen, weißen Klamotten (hatten die denn alle das gleiche an?) aus dem Wipfel eines Urwaldriesen.
    „Das war schon der dritte heute“, verkündete Dr. Hartinger stolz. „Schreib das auf, Sabine. Das muß festgehalten werden. Wahrscheinlich können wir keine Strecke legen.“
    Seine Begleiterin, ein gutgebautes Playmate, das etwas zu blond und etwas zu dumm war, kicherte und machte einen Strich in ein kleines Notizbuch.
    Der Safari-Unimog ruckte wieder an. Jens-Uwe Klein, Geschäftsführer der Revidata GmbH, der neben Blondie auf der Ladefläche saß, ließ sich ziemlich aufdringlich gegen sie plumpsen.
    „Hoppla“, sagte er aufgekratzt. „Ihr, äh, der Herr Zahnarzt schießt aber gut.“
    „Das können Sie glauben“, flötete sie. „Der schießt Ihnen so’n Bimbo auf hundert Meter vom Baum. Die leben doch auf den Bäumen, oder?“
    Ich starrte diese grellen, ordinären Wohlstandsbürger in fasziniertem Grauen an. Sie redeten wie Karikaturen, aber sie waren keine. Sie bewiesen wieder einmal, daß das Leben der zynischste Kabarett-Texter ist.
    Sie bemerkten, daß ich sie anstarrte.
    „Sie haben wohl nichts übrig für die Jagd, wie?“ fragte Klein.
    „Verdammt, das sind keine Karnickel, das sind Menschen!“ schrie ich.
    Klein runzelte irritiert die Stirn. Blondie gab sich pikiert. „Gott, sind Sie empfindlich. Wegen der paar Wilden, die uns überfallen haben.“
    Dr. Hartinger fuchtelte mit seinem Gewehr leichtsinnig in der Gegend herum. „Wir müssen die Insel von diesen Banditen säubern. Das ist einfach vorbeugende Selbstverteidigung. Ganz legal.“ Ein amüsiertes Lächeln zuckte über sein Gesicht. „Aber eine gewisse waidmännische Komponente läßt sich natürlich nicht verleugnen.“
    Was im Klartext bedeutete, daß die Eingeborenen nicht mehr Chancen hatten als die Hasen bei einer Treibjagd.
    Nicolay war ein genialer Schachzug gelungen. Erstens hatte er in den Filipinos die idealen Sündenböcke gefunden, die man für alle Zerstörungen verantwortlich machen konnte. Als schwache, unorganisierte Minderheit ohne irgendwelchen Rückhalt boten sie sich dafür wie auf dem Präsentierteller an. Warum sollte es ihnen besser ergehen als etwa den Amazonasindianern?
    Und zweitens bekommt man auf diese Weise die Killer aus den Urlaubszonen heraus. Die Killer waren jene, bei denen die Aggressivität nicht mit der Wirkung des Psychogases abflaute, sondern die Gefallen an der Gewalt gefunden hatten. Nach dem Motto „Hast du Schwierigkeiten im Innern, so lenk’ die Aggression nach draußen“ waren Kampfgruppen gebildet worden, die nun im Dschungel herumkurvten und die Eingeborenen massakrierten.
    Wir bildeten einen von insgesamt zehn Trupps. Hinter uns fuhren noch zwei Landrover voller Schießwütiger. Die Insassen hatten sich fein gemacht für ihren blutigen Urwaldausflug. Man sah viele, derbe, großkarierte Baumwollhemden, Stiefel, Cowboyhüte, Jeans mit breiten Gürteln. Über allem lag der Hauch von Freiheit und Abenteuer. Jeder war ein kleiner Westernheld, der aus seiner Stagecoach heraus ein paar Indianer abknallen konnte, aber live, nicht nur im Fernsehen.
    Da waren die leitenden Herren aus den Palisanderbüros, die statt mit Befehlen auch mal mit Schüssen traktieren wollten. Da waren die mittleren Befehlsempfänger, die schossen, weil man es so angeordnet hatte. Sie taten alles, was man ihnen sagte. Auch wenn es etwas außerhalb der Legalität war. Schließlich konnte es ja eine gute

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