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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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nicht diesen Science Fiction-Mist geschrieben!“ Sie sucht wieder einmal ihre Zigaretten.
    „Und hättest du einmal bloß eine Zeile von dem gelesen, was dein leiblicher Bruder seit vielen Jahren schreibt“, antwortet heftig euer nun am Ende seiner Nervenkraft angelangter Science Fiction-Autor, „wüßtest du, daß ich nie einen derartigen Scheißdreck geschrieben habe, wie Günther ihn zu lesen pflegte. Bin ich denn mit ihm verheiratet, oder bist du’s? Wäre es nicht deine Sache gewesen, ihm die Astroarchäologie und den ganzen anderen mystischen Scheiß auszureden? Oder wenigstens gelegentlich vernünftig mit ihm darüber zu diskutieren?“ Er breitet die Arme aus und sieht zu, in dieser Gebärde erstarrt, wie sich seine leibliche Schwester mit zittrigen Händen und fahrigen Bewegungen eine Zigarette entzündet. „Ach, es hat ja keinen Zweck! Mach doch, was du willst.“
    „Das werde ich auch.“ Sie bläst Qualmwolken aus verpreßten Lippen. Ihr Blick ist stier wie bei jemandem, der sich von aller Welt verlassen wähnt und gerade in übermenschlichen Trotz hineinsteigert; ihre Stimme klingt feindselig kalt. „Das werde ich auch. Ich werde einen Anwalt meines Vertrauens damit beauftragen, deine Schriften zu prüfen, ob sie nicht verboten gehören.“
    „Ach! Ach! Hach!“ Euer verzweifelter Autor schlägt die rechte Faust in die Handfläche der Linken, daß es klatscht. „Das ist ja wohl das Letzte!“ Aber es ist, erkennt er, tatsächlich vollkommen zwecklos, sich weiter mit seiner leiblichen Schwester zu befassen oder irgendein Engagement zu zeigen. Mag die rauhe Wirklichkeit seiner leiblichen Schwester Vernunft eintrichtern. Günthers Psychose, so hat ihm während eines Gesprächs, auf dessen Zustandekommen euer bedauernswerter Science Fiction-Autor zweieinhalb Stunden lang warten mußte, der zuständige Psychiater der Klinik versichert, bedarf voraussichtlich, selbst wenn er demnächst entlassen werden können sollte, einer dauerhaften medikamentösen Behandlung. „Weißt du was?! Ihr könnt mich am Arsch lecken! Du mit deinem Gewäsch und dein Ehemann mit seiner Astroarchäologie samt den versunken Superkulturen.“ Er strebt zum Ausgang, stampft rücksichtslos durch die Splitter von Scheiben und Geschirr. Bruchstücke von Porzellan und Keramik knirschen unter seinen Schuhen, seinen entschlossenen Schritten. „Und erst recht deine versoffene Mutter.“ Er schlägt die Haustür zu, die bloß noch an einer Angel hängt, und dem dumpfen Knall des Zuschlagens folgt gleich darauf das Krachen, mit dem sie vollends herausbricht. Von neuem zerspringt Glas, klirrt Metall, aber er wendet sich nicht um, als er durch den Vorgarten zu seinem Auto stapft, die Fahrzeugschlüssel schon zwischen den Fingern, die Zähne zusammengebissen. Hinter ihm stürzen unterm Ansturm seiner Haßausstrahlungen alle Brücken ein.
     
    Unauffällig ist der Nachmittag in den Spätnachmittag übergegangen, da erst kehrt euer nahezu zerrütteter Science Fiction-Autor wieder heim. Inzwischen hat es wolkenbruchartig geregnet, und durch den frühen Feierabendverkehr war die Innenstadt völlig verstopft, so wie fast jeden Tag. Die streß-intensive Nachhausefahrt hat ihm moralisch den Rest gegeben, und er sinnt nun auf nichts anderes als eine kräftige Mahlzeit, einen guten Schluck und einen ausgedehnten, gesunden Schlaf. All das ist längst überfällig, er mußte dessen entbehren, während er sich mit den Verrücktheiten anderer Leute beschäftigte, die zufällig mehr oder weniger mit ihm verwandt sind. Heute will er sich nur noch Ruhe und Erholung gönnen.
    Doch als er den kurzen Flur seiner Apartmentwohnung durchquert, ahnt er bereits anhand gewisser Anzeichen von Unordnung im Arbeitszimmer, zu dem die Tür offensteht, daß es dazu nicht kommen soll. Welcher Anblick bietet sich ihm im Arbeitszimmer? Lauert ihm dort die entlaufene Mumie Ramses III. auf, die um die Welt irrt, um die sagenumwobene Originalhandschrift des Necronomicons zu suchen, dem okkultkriminellen Schundwerk des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhazred, dessen verschollene Nachrede allein ihr zur Erlösung verhelfen kann? Befindet sich ein Mann von einem anderen Planeten soeben dabei, ihm das Geheimnis der Transmitterstrahlen ins Diktafon zu sprechen? Durchwühlt ein vom Verfassungsschutz bezahlter Achtgroschenjunge seine Papiere, um auf höchsten Befehl die entscheidenden Seiten des Manuskripts Geschaffen ganz aus Schweigen zu entwenden? Überrascht er einen Saboteur aus

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