Gemischte Gefühle
der Literaturagent eures beleidigten und erniedrigten Science Fiction-Autors; und sobald er den Namen des Agenten vernimmt, weiß er auch unverzüglich, aus welchem Grund der Anruf erfolgt. Er hat ihm nämlich hoch und heilig auf den heutigen Tag eine sensationelle Erzählung für das renommierte Science Fiction-Magazin Trans-Pluto versprochen, das zwar seit seiner Gründung schon fünfmal pleite war, sich aber nichtsdestotrotz von einer Ausgabe zur anderen schleppt, und seiner heutigen Fremdbeanspruchung wegen vermochte euer Autor daran keinen Schlag zu tun. „Du hast mir hoch und heilig auf den heutigen Tag eine Erzählung fürs Trans-Pluto versprochen“, zetert sein Agent durchs Telefon. „Wo bleibt das Ding? Kann man sich denn überhaupt nie auf dich verlassen? Wie soll ich denn unter solchen Umständen meine Zusagen gegenüber dem Herausgeber einhalten? Was machst du eigentlich den ganzen Tag lang? Wir benötigen den Text. Der Umschlag für die nächste Nummer ist schon gedruckt, und dein Name steht drauf. Was sagst du dazu? Hä? Hä?!“
„Ich stelle die Geschichte schnellstens fertig“, stammelt in äußerster Verlegenheit euer nunmehr in eine mißliche Lage geschlitterter Science Fiction-Autor. „Morgen schicke ich sie ab. Ehrenwort!“
„Bestimmt?“
„Ganz bestimmt! Hundertprozentig. Auf mich kannst du zählen, das weißt du doch!“
„Na gut. Ich erwarte dein Manuskript übermorgen. Und denk dran – sensationell muß es sein. Fröhliches Schaffen!“
Als euer dergestalt verarschter Science Fiction-Autor den Hörer auf die Gabel schmettert, hat er endgültig die Nase gestrichen voll. Er bebt von den Großzehen bis in die Haarspitzen, in seinen Mundwinkeln bildet sich Schaum „Verfluchte Scheiße“, brüllt er seine vier Wände an und schüttelt beide Fäuste gegen die Zimmerdecke. Er stürmt in die Küche, entnimmt dem Tiefkühlfach eine vor Kälte weißlich beschlagene Flasche Bommerlunder und dem Wandschrank ein Glas; mit beidem in den Händen poltert er zurück ins Arbeitszimmer. „Jetzt habe ich aber endgültig die Nase gestrichen voll“, krakeelt er, reißt die Plastikabdeckung von der IBM, knautscht sie zusammen und wirft sie in eine Ecke. „So, sensationelle Science Fiction darfs sein, hm?“ nuschelt er vor sich hin, während er mit Blättern und Kohlepapier raschelt und knistert, endlich alles einspannt und die Maschine einstellt. „Na schön, dann sollt ihr sensationelle Science Fiction haben. Warum auch nicht?“ Er füllt eiskalten Bommerlunder ins Glas und gießt ihn sich hemmungslos in den nüchternen Magen, so daß vor seinen Augen ein ganzer Sternenhimmel zu flimmern beginnt. „Ja, wieso eigentlich nicht?“ röchelt er, hustet und lacht hämisch auf. „Jawoll, Freunde, ich werde aus Scheiße Geld machen.“ Als fast schlagartig die Wirkung des Alkohols einsetzt, beruhigen sich seine Hände, in seine Augen stiehlt sich ein irrsinniges Glitzern, und seine Finger huschen stetig über die Tasten der Schreibmaschine, als er zu tippen anfangt und mitten aufs erste Blatt hämmert:
HELD DES UNIVERSUMS
Kurt Luif Dabeisein ist alles
Wie immer vor Beginn einer Pressekonferenz war Ralf Mayer nervös. Das änderte sich aber sofort, als er ins Scheinwerferlicht trat. Einen Augenblick blieb er blinzelnd stehen, dann betrat er das Podium und verbeugte sich leicht. Der Zuschauerraum lag im Halbdunkel. Nur die in den ersten Reihen sitzenden Journalisten waren undeutlich zu erkennen.
„Meine Damen und Herren“, sagte der Saalsprecher, „wir stellen Ihnen nun Ralf Mayer vor!“
Als Ralf sich setzte, war er nicht hur beherrscht, sondern auch sofort wieder zu dem leicht dümmlichen Naturburschen aus den Alpen geworden, zu dem ihn die heimischen Medien aufgebaut hatten. Die PR-Leute seines Teams hatten dieses Image noch verstärkt.
„Ralf Mayer ist dreiundzwanzig Jahre alt. Er hat neun Weltcuprennen gewonnen und wurde im vergangenen Jahr – als Krönung seiner Amateurlaufbahn – olympischer Abfahrtssieger!“
Der Monitor auf dem Tisch zeigte ihn bei seiner Siegesfahrt, die ihm das olympische Gold und einen lukrativen Profivertrag eingebracht hatte.
Er lächelte leicht, als er sich in Siegerpose dastehen sah, die Arme hochgerissen und den Mund zu einem Freudenschrei geöffnet. Er hatte die Bilder hundertmal gesehen, aber sie gefielen ihm immer wieder.
„Diese Saison wechselte Ralf Mayer zu den Profis über. Er wurde vom ATT-Team engagiert. Seine ersten Profirennen
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