Gemischte Gefühle
waren nicht gerade erfolgreich für ihn.“
Das kann man wohl sagen, stimmte Ralf zu, als er einige seiner Stürze auf dem Bildschirm sah.
„Vor acht Wochen gewann er zwei Gruppe-II-Profiabfahrtsrennen gegen mäßige Gegner, und vor vier Wochen schaffte er die Qualifikation für den WM-Lauf, als er den Aspen-Gold-Cup gewann.“
Nun war er wieder als strahlender Sieger zu sehen. Sein blutroter Anzug mit dem ATT-Wappen glänzte in der Sonne. Sein dunkelblondes Haar war zerrauft, und seine grünblauen Augen blitzten. Triumphierend hielt er den Goldpokal in der rechten Hand. Mit dem linken Arm umarmte er seinen Trainer.
„Ralf Mayer zog für den morgigen WM-Lauf die ungünstige Startnummer 9. Bei den englischen Buchmachern rangiert er als letzter Außenseiter. Sein Trainer ist Peter Sullivan, der vor fünf Jahren der erste Profi-WM-Sieger war. Fragen Sie nun Ralf Mayer, liebe Freunde. Nehmen Sie ihn ins Kreuzverhör!“
Und jetzt ist es wieder soweit, dachte Ralf. Jetzt werden sie mich und die Millionen Zuschauer in aller Welt mit den üblichen idiotischen Fragen quälen. Und wie üblich würde er auch die dämlichste Frage so beantworten wie sie seinem Image entsprach: sanft und bescheiden.
Die Scheinwerfer wechselten alle paar Sekunden die Farbe. Den Zuschauerraum konnte er nur mehr als undurchdringliche Schwärze wahrnehmen. Er wußte, daß zumindest eine Kamera auf ihn gerichtet war und sein Gesicht in Großaufnahme zeigte. Die Pressekonferenz wurde live in 39 Länder übertragen.
„He, Ralf, glauben Sie, daß Sie den Zielrichter belästigen werden?“
Einige kicherten. Vergeblich versuchte Ralf den Frager zu erkennen.
„Ich denke schon“, antwortete er.
„Was war das längste Rennen, das Sie je fuhren?“
„Gröden. Vergangenes Jahr. Es war viertausend Meter lang.“
„Da gab es aber keine Hindernisse. Das morgige Rennen ist neun-tausenddreihundertsiebenundsiebzig Meter lang und voll mit den heimtückischsten Fallen. Einige Buchmacher legen es fünfzig zu eins, daß Sie nicht mal den ersten Teil des Rennens schaffen werden.“
„Ich habe mich gewissenhaft vorbereitet. Nie zuvor war ich so in Hochform.“
„Einige Ihrer Konkurrenten behaupten, daß Sie zu weich für den Profisport sind. Sie haben die Umstellung noch nicht verkraftet.“
„Dagegen spricht mein Sieg im Aspen-Gold-Cup.“
„Weshalb fahren Sie für das ATT-Team?“
„Sie machten mir das beste Angebot.“
„Was waren für Sie die größten Umstellungen vom sogenannten Amateur zum Profi?“
Ralf überlegte kurz. „Amateurrennen sind mit Profirennen überhaupt nicht zu vergleichen. Bei den Profis ist alles anders. Der Massenstart aus den Startmaschinen, das gegenseitige Belauern und Behindern, und natürlich die Hindernisse.“
„Das wissen wir alle. Aber was war für Sie die größte Umstellung?“
„Die Taktik. Eine gute Position im Rennen zu suchen. Keinen Meter zu verschenken.“
Weitere Fragen prasselten auf ihn ein.
„Der Bursche macht seine Sache großartig“, sagte Bert Zinnemann zufrieden. Er sah genauso aus, wie man sich den erfolgreichen Manager eines großen Konzerns vorstellte.
Peter Sullivan antwortete nicht. Er starrte den Bildschirm an.
„Sie haben vorbildliche Arbeit geleistet, Peter. Unser Umsatz hat sich in den vergangenen Wochen um fast dreißig Prozent erhöht. Das ist nur auf die Erfolge Ralfs zurückzuführen. Wenn er nun die Weltmeisterschaft gewinnt …“
„Er wird sie nicht gewinnen.“
„Ahh ja, jetzt kommen wieder Ihre langweiligen Einwendungen. Er wird verheizt. Er ist noch nicht reif für so ein brutales Rennen. Der Start kommt um ein Jahr zu früh. Er hätte langsamer aufgebaut werden müssen. Das wollen Sie doch sagen?“
„Richtig.“
„Peter, Sie wissen, was gespielt wird. Unser Team braucht einen zugkräftigen Fahrer. Wir steckten ganz schön in den roten Zahlen.“
„Das weiß ich. Trotzdem kommt der Start für Ralf zu früh. Dieses Rennen ist zu schwer für ihn. Ich habe selbst drei Profi-Jahre gebraucht, bevor ich die WM gewann.“
„Ach was, wenn er nicht gewinnt, ist es auch nicht tragisch. Wichtig ist, daß er überhaupt am WM-Lauf teilnimmt. Diese Reklame ist einfach unbezahlbar.“
„Das schätze ich so an Ihnen, Bert. Sie denken so überaus human. Immer im Interesse des Konzerns unterwegs, immer darauf bedacht, daß die Umsatzziffern steigen.“
„Das ist meine Aufgabe. Ihre ist es, Ralf gut zu trainieren. Seien wir doch mal ehrlich, wir haben alles
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