Gemischte Gefühle
flüchtig das Flugblatt. „Das wird uns organisatorisch mächtig auf die Sprünge helfen und die Bonzen davon abhalten, direkt mit ihren Panzerwagen und chemischen Keulen hier einzumarschieren. Außerdem haben wir einen Haufen Solidaritätsadressen bekommen, unter anderem von der SDAJ, der Bewegung Bewußter Schwuler, dem PEN, dem SPD-Unterbezirksverein von Plusendorf an der Plumpe, sogar unterzeichnet vom Ortsgruppenvorsitzenden Daniel Herbst, der DKP-Betriebsgruppe Deutschchemie, dem Internationalen Komitee für die Rechte lesbischer Lehrerinnen, der Fakultät der Universität Berlin, der SMV des Schulzentrums Süd, von Professor Sulzmann, Lehrstuhlinhaber für Parapsychologie an der Universität Heidelberg, der Alternativen Liste NRW, dem VVN, dem Antifa-Aktionskreis von Wetzlar, der DFG-VK, dem Jugendzentrum Börse, dem BBU, der Gesellschaft für Aussöhnung und Entspannung, dem Alterspräsidenten des Bielefelder Rentnerclubs Graue Panther und einem Haufen anderer Organisationen, Gruppen, Grüppchen und Privatleuten.“
„Ermutigend“, frohlockte Robby. „Und was ist mit den Radikaldemokraten? Denen müßte es doch möglich sein, im Stadtrat etwas dagegen zu unternehmen …“
„Zur Zeit laufen da noch Gespräche.“ Das Mädchen gähnte ausgiebig. „Wird schon werden. Wir haben jetzt andere Sorgen. Das Zeug hier muß schleunigst verteilt werden, und ich schätze, daß du der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist, um diese Aufgabe …“
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Wir stellen fest: Es gibt ein Grundrecht auf ausreichenden Wohnraum, den jeder Mensch zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit benötigt. Wir stellen fest: Dieses Grundrecht ist in Gefahr, durch ein republikweites Spekulantenunwesen ausgehöhlt zu werden. Es ist bekannt, daß bereits zehn Millionen Menschen, also fast ein Sechstel der Bevölkerung, unter unzureichenden und unwürdigen Bedingungen wohnen. Und über jene, die sich ihr Grundrecht durch überhöhte Preise erkaufen müssen, gibt keine Statistik Auskunft …
Auszug aus einem Grundsatzpapier zum 10. ordentlichen Parteitag der Radikaldemokratischen Partei
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„Wie? Ich weiß von nichts. Nie gehört. Wie? Warum fragen Sie mich das überhaupt? Wie? Nein, offiziell bin ich überhaupt nicht informiert. Der Antrag fehlt, wenn … Im übrigen ist dies eine Entscheidung des Rates … Wie? Nein. Natürlich nicht. Die Verwaltung prüft, der Rat beschließt. Objektiv. Natürlich objektiv … Wie? Auf keinen Fall. Dafür verbürge ich mich. Nein, nein. Davon weiß ich nichts. Wie? Wie?“
Oberstadtdirektor Pfeife in einem Interview der Alternativ-TV
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PFEIFE IST UND BLEIBT WAS ER IST
Flugblattext
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„… und es ist völlig klar, daß wir uns das auf keinen Fall bieten lassen werden. Auf keinen Fall, unter keinen Umständen!“ Die Stimme von Sigrun Hammerwehl, Landesjugendsekretärin des DGB und neuestes Mitglied der Bürger gegen Baumafia -Initiative , ergoß sich mit mehreren hundert Watt aus den Lautsprechertürmen von Pete Paranoia & his Nightmares. Beifall brandete auf, wälzte sich wie ein gewaltiger akustischer Wurm durch die menschenüberlaufene Straße, die sich oben auf dem Kamm des Holunderberges zu einer Kreuzung verbreiterte und der Demonstration der Bürger gegen Baumafia -Initiative genug Platz bot. Bürgersteig, Straßen und sämtliche Fenster waren schwarz von Menschen. Rote Fahnen und Transparente wurden geschwenkt. „Jawoll!“ tönte es zustimmend aus der Menge. Und: „Wir haben auch Rechte!“ Und: „Das kann man mit uns nicht machen!“ Und: „Bravo! Ein wahres Wort zur rechten Zeit!“ Und: „Ich denk’, das is’n Rockfestival?“
Robby stand eingekeilt in der Menge, neben ihm Angela, und mit einem feinen lästerlichen Lächeln nahm er den Druck ihres warmen Körpers zur Kenntnis. Irgendwo vor ihm schwenkte Don the Dope seine Gitarre, ein wenig seitlich versetzt klatschten Terrier Protkop und Anhang enthusiastisch Beifall, lautstark unterstützt von der Witwe Rumberger und jener jungen blonden Maid, deren Badeshow Robby des öfteren durch das gardinenlose Badezimmerfenster des gegenüberliegenden Gebäudes hatte beobachten können.
„Man wird versuchen“, setzte die Landesjugendsekretärin ihre Rede fort, „uns zu kriminalisieren. Man wird versuchen, Dreck über uns auszuschütten, um die öffentliche Meinung – pardon, die veröffentlichte Meinung gegen uns aufzubringen. Aber dafür ist es bereits zu spät. Wir
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