Gemischte Gefühle
daß man keinen Jagdschein dafür ausgeben kann. Aber man könnte Abenteuersafaris in den Dschungel anbi e ten. Wir drücken den Teilnehmern ein Gewehr in die Hand und sagen, wenn dich so ein Wilder angreift und du ihn in Notwehr erschießen mußt – Pech gehabt! Oder Glück, haha. Alles ganz legal. Hmmmh, wäre sicher eine interessante Marktlücke. “
Ich glotzte ihn an. Es war nicht so sehr die Tatsache, daß er an sowas dachte. Was mich krank machte, war die Tats a che, daß er es nicht für ausgeschlossen hielt, so etwas real i sieren zu können. Er war ein Amokläufer im Flanellanzug und mit tadellos gebundener Krawatte.
„ Aber die Urlauber, die hier auf Holiday World sind “ , versuchte ich, sein Alibi-Programm zu durchlöchern. „ Die wissen doch, daß nicht die Filipinos die Gewalttätigkeiten begangen haben, sondern daß sie sich selbst die Schädel eingeschlagen haben. “
„ Genau deshalb werden sie auch tunlichst darüber schweigen. Es war wie ein böser Dämon, der über sie g e kommen ist. Sie wollen nicht mehr daran denken. Wir bieten ihnen ein gutes Alibi an. Sie werden es dankbar akzeptieren und in ein paar Tagen selber dran glauben. Jeder kriegt eine Woche Gratisurlaub, und nach einer repräsentativen Blit z umfrage wollen 98,5 wieder bei uns Urlaub machen. “
„ 98,5? “ fragte ich ironisch. „ Das erinnert mich an die Wahlergebnisse in totalitären Staaten. “
„ Aber ganz ohne Zwang “ , sagte er glatt und sah aus dem Fenster. Ein Reflex auf seinem Brillengestell schien einen Lichtspeer nach mir zu schleudern. Er erinnerte mich an e i nen Computer-Mephisto. „ Zwang ist schließlich altmodisch. Ein paar Euphorizer zur rechten Zeit, ein paar Top-Psychologen am rechten Ort, ein paar freundlich-suggestive Worte – und schon ist alles wieder im rechten Lot. Die m o dernen Beeinflussungstechniken sind sehr erfolgreich. Wir beherrschen nicht durchs ‚ Nein ’ , sondern durchs ‚ Ja ’ , nicht durch Verbote, sondern durch Angebote. Viel wirksamer. Fröhlich, schmerzfrei, positiv. “
Ich begriff, daß sein Irrsinn System hatte. Und dieser Ir r sinn fiel gar nicht auf, weil zu viele andere Verrückte um ihn herum waren. Ich fühlte mich wie ein blöder, verträumter Außenseiter, ein Oldtimer , der noch nicht die windschlüpf i gen Moralvorstellungen der Neuen Zeit hatte.
„ Aber die restlichen 1,5, Nicolay. “ Es war ein letzter Ve r such vor der endgültigen Niederlage. „ Die werden doch s a gen, was los war. “
„ Man wird ihnen nicht glauben. Wir haben die größere Kommunikationsmacht hinter uns: Verlage, Werbeagent u ren, Öffentlichkeitsarbeiter. Wir machen die Meinung, die wir brauchen. Und schließlich waren diese Querulanten durch die Psychopharmaka verwirrt, die die Komplizen der Filipinos angewendet haben. Übrigens gut, daß Sie mich daran erinnern. Wir müssen diese linke Polit-Bande mit i h ren Parolen mehr in den Vordergrund stellen. “ Er wandte sich zur Seite. „ Klamm, denken Sie daran, daß wir eine en t sprechende Organisation gründen müssen, die sich dann zu der Tat bekennt. Eilt! “
Ich war soweit, daß ich mich nach einem schönen, gemü t lichen Alptraum sehnte.
„ Aber das Ganze ist nicht nur durch Einwirkung von a u ßen entstanden “ , sagte ich. „ Da war auch viel Druck von innen da. Und der hat sich dann in diesem Erdbeben entl a den. “
Nicolay lehnte sich lässig zurück. Er hatte alles unter Kontrolle. „ Es war kein Erdbeben “ , sagte er. „ Ihnen zittern nur die Knie. “
„ Unter humanitären Gesichtspunkten …“ , begann ich.
„ Kommen Sie mir jetzt nicht mit so was “ , unterbrach mich Nicolay. „ Hier geht ’ s nicht um Humanität. Hier geht ’ s um Geld.
Um sehr viel Geld. Für sehr viele Leute. Um Milliarden. Um Aufträge. Um Arbeitsplätze. Um soziale Sicherheit. “
„ Der gute Mensch von Tour Futur. “
„ Spotten Sie nur. Was wir hier tun, mag Ihnen zwar etwas kraß erscheinen, aber wir folgen dabei eigentlich nur ganz logischen Sachzwängen. “
Ich stand auf und überlegte, ob ich ihn mit zwei schne l len Schritten erwischen konnte. Aber es ging nicht. „ Nic o lay “ , sagte ich noch leiser als er, „ eines Tages laufen Sie mir über den Weg, ohne daß zwei Gorillas mit Schießpr ü geln hinter Ihnen stehen. An diesem Tag wird es Ihnen nicht gutgehen. “
„ Sparen Sie sich doch Ihre filmreifen Sprüche, Rossi “ , entgegnete er schulterzuckend. „ Sie nehmen sich viel zu wichtig. Sie
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