Gemischte Gefühle
zum Arbeitsamt sein.
Die Hoffnung auf eine so schadenfrohe Genugtuung j e doch ist vergeblich. Euer bekannter Science Fiction-Autor geht geradewegs ins Klosett und uriniert ganz tadellos, und man darf fest davon überzeugt sein, daß er sich 3000 Lich t jahre entfernt genauso verhielte. Er ist ganz sicher, daß seine prachtvollen Einfalle von gestern wiederkehren, wenn auch vielleicht nicht gerade in alphabetischer Reihenfolge, und daß sie, sollte er sich nicht erinnern können, sowieso nichts taugten. Nachdem er sich mit seiner berufsspezifischen Nonchalance katzenhaft gewaschen hat, schiebt er sich die Zahnbürste in den Mund – und da geschieht es!
Was geschieht? Wird er von einem Strahlschuß getroffen und auf der Stelle umgebracht, gefällt wie ein schlachtreifes Schwein? Heulen Alarmsirenen auf? Kommt die Polizei, um ihm eine Blutprobe zu entnehmen? Tritt ein Mann von e i nem anderen Planeten ein?
Stürzt eine strammärschige Blondine ins Bad und sinkt vor ihm auf die Knie, um seine Hand zu küssen und Hilfe gegen die Nachstellungen lappenfüßiger Schleimwesen zu erflehen?
Ach was! Auf solche Gedanken vermögen nur völlig vom Alkohol zerfressene Gehirne zu verfallen. Nur vollständig abwegige geistige Bankrotteure können überhaupt an so was denken. Nein, es ist ganz klar, eines der alltäglichen Vo r kommnisse geschieht: Das Telefon klingelt.
„ Scheiße, was ist das? “ brabbelt euer Autor, schon Schaum im Mund und auf den Lippen. „ Was hat denn das zu bedeuten, gottverdammte Kacke? “ Die Wirklichkeit hat selbstverständlich nichts mit der katholisch-romantischen Vorstellung zu tun, die jungfräuliche Bibliothekarinnen von Schriftstellern hegen; diese notorischen Trocke n pflaumen bilden sich doch tatsächlich ein, daß hartes Ri n gen um jedes Wort den Schriftsteller auszeichne, ob es ihm von den Lippen oder aus der Feder fließen solle, seine R e deweise g e wählt sei und er beim Sprechen versonnen die feingliedrigen Hände knete. Wie die Dinge stehen, hat euer geschätzter Autor gegenwärtig nichts als Schaum vorm Maul, er besitzt Hände wie Abortdeckel, und bevor er das Telefon erreicht, murmelte er noch „ Scheißdreck “ , weil nämlich jedes zweite Wort eines Schriftstellers, das nicht zur Veröffentlichung gedacht ist, aus dem Fäkalbereich stammt, und in diesem besonderen Fall beruht sein Mißmut auf dem Umstand, daß wahrhaftig vor acht Uhr morgens das Telefon klingelt.
Aber wie ärgerlich ein so früher Anruf auch sein mag, wie hoch auch die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um eine unerfreuliche Nachricht handelt, als Schriftsteller geht man trotzdem an den Apparat, denn es könnte ja jemand an der Strippe hängen, der von einem Text die Filmrechte zu e r werben wünscht (obwohl die Aussichten gleich Null sind); und wenn nicht, na ja: Welche Hiobsbotschaften werfen e i nen Schriftsteller noch um? Jedenfalls nimmt euer Autor den Hörer ab, und meldet sich mit der Brummigkeit eines bele i digten Brummbärs.
Wer ruft an? Ist es der hirnlose Schwätzer Selim Schmil b lick? Die Witwe Pomrath? Ein anonymes Arschloch, das Gift und Galle spuckt und droht? Ein Mann von einem and e ren Planeten, der auf gute Zusammenarbeit hofft? Eine strammärschige Blondine, die leidenschaftlich das Verla n gen vorträgt, ihm die Han d k üssen zu dürfen? Nein, es ist seine leibliche Schwester, die sich nach monatelangem Schweigen dazu aufgerafft hat, seine Telefonnummer zu wählen. „ Hör mal “ , sagt sie mit ihrer introvertiert-brüchigen Stimme, „ Günther ist heute nacht in die Klapsmühle g e kommen. “
Euer beliebter Science Fiction-Autor zweifelt nicht im g e ringsten am Wahrheitsgehalt der Mitteilung, weil er weiß, daß seine leibliche Schwester Henriette viel zu blöde ist, um so etwas zu erfinden. Er ist auch nicht im mindesten erschü t tert, da er niemals bloß einen Augenblick lang gezweifelt hat, daß es mit seinem weltfremden Schwager, der sich seit jeher mit solchem Quatsch wie Ufos, versunkenen Superku l turen, Göttern aus dem All, Grenzwissenschaften, Okkulti s mus und Kabbalistik befaßte, eines Tages so kommen mü s se. Allerdings ist er im Handumdrehen übellaunig, denn ihm dämmert unverdrängbar der Eindruck, daß jetzt beträchtl i che Scherereien bevorstehen. Schließlich ist er das einzige geistig normale Mitglied der Familie, und sobald etwas pa s siert, lastet die gesamte Verantwortung auf ihm, weil er a l lein zu überlegtem Handeln imstande ist. „ Meine Fresse
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