Gemischte Gefühle
“ , sagte er, obwohl er begreift, wie sich das ergeben hat, „ wi e so denn das? “
„ Ich bin nicht deine Fresse “ , antwortet seine leibliche Schwester, „ und wenn du noch einmal so etwas zu mir sagst, hau ich dir eine Stricknadel durch die Eier, klar? “
„ Aber, aber, liebes Schwesterlein “ , entgegnet der geschi l derte Science Fiction-Autor, „ was spuckst du für böse Wo r te? War ich nicht immer wie ein Bruder zu dir? “ (Genauso beschissen benahm er sich auch immer, so daß sich jeder Widerspruch erübrigt.) „ Tscha, das ist ja … Na, was erwa r test du nun eigentlich von mir? “
„ Was ich von dir erwarte? “ fragt sie im schrillen Tonfall aller, die ihr Lebtag am Rande der Hysterie verbringen. „ Ich erwarte von dir, daß du sofort aufkreuzt und hier nach dem rechten schaust. Bist du vielleicht mein leiblicher Bruder oder nicht? “ Sie spricht wie eine leibliche Schwester, die sich sehr wohl dessen bewußt ist, daß ihr leiblicher Bruder sich nicht darauf versteht, ihr irgend etwas zu verweigern. Liebes Br ü derlein, lautet in Wahrheit ihr Ersuchen, bürste mir sofort meinen Teddybär ab! „ Ja, was denkst du dir e i gentlich? “ Ihre Sprache gleicht dem Kriegsgeschrei eines Wurms.
„ Ich komme so schnell wie möglich. “ Von der Zahnbü r ste in seiner Linken – in der rechten hält er verkrampft den Hörer – tropft Zahnpasta, ein Stalaktit aus weißen Bläschen, träge, w i derwärtig lau wie Sperma, erzeugt wahrscheinlich einen Fleck auf dem Teppichboden, der einer von vielen Flecken wäre: echten Spermaflecken, Schmutz - und Ro t weinflecken; alle anderen Flecken, das weiß man ja von den verschied e nen konfessionellen und staatlichen Prä-Big-Brothers, sind abwaschbar. „ Das ist ja eine schöne Scheiße “ , redet euer liebenswerter Science Fiction-Autor vor sich hin, als er den Hörer aufgelegt hat. „ Mann, wie wird dieser Scheißmist bloß wieder ausgehen. “ Tautologische Wortbi l dungen wie „ Scheißmist “ zählen zur sogenannten dichter i schen Freiheit eines Schriftstellers. Aber die Gedanken eures Schriftstellers weilen gegenwärtig ja gar nicht beim Schre i ben. Ihm ist jetzt glasklar, daß er heute, nach diesem unsel i gen Anruf, zum Schreiben keine Zeit haben wird. Er ve r zichtet a priori da r auf, seine Schreibmaschine überhaupt anzuschauen. Heute wird sein der Unsterblichkeit verschri e benes Werk Geschaffen ganz aus Schweigen keine wesentl i che Erweiterung e r fahren. Heute fände er, das sieht er ganz realistisch, nicht einmal genug Zeit für eine Hörerzuschrift an den Landfunk. Aber halt! Eines wollen wir hier unmi ß verständlich klarste l len: Euer lesertreuer Science Fiction-Autor würde selbstve r ständlich lieber schreiben. Doch er kennt ihn zu gut, diesen quengeligen, aggressiv-psychotischen Tonfall, er weiß, daß seine liebe leibliche Schwester es ihm sechs Jahre lang nachtrüge, griffe er jetzt nicht ein, und nicht davon zu qua t schen aufhörte, solange sie lebte auf Erden. Immer ist er de r jenige in der Familie, der sich um alles kümmern muß. „ W o für gibt es eigentlich Rechtsanwälte? “ nuschelt verdrossen euer dufter Science Fiction-Autor, während er seinen von einer Traube von H ä morrhoiden beschwerten Arsch aufs Wasserklosett senkt; und das ist nun auch echt der Moment zum Ausblenden, weil es den Durchschnittsleser zu stark verstören müßte, zwänge man ihm auf, sich seinen Lie b lingsautor auf dem Scheißhaus vorzustellen. Schließlich darf man dem Leser nicht zuviel zumuten.
Ungefähr eineinhalb Stunden sind verstrichen, als euer he r zensguter Autor seinen PKW vorm Einfamilienhaus se i nes schwer heimgesuchten Schwagers parkt, und da sieht er schon bei den Nachbarn, soweit das Auge reicht, die Sche i ben eingeschmissen. „ Du liebe Kacke “ , faucht euer spi t zenklassiger Science Fiction-Autor das Lenkrad an, während er die Handbremse anzieht. „ Ja, Mann, das ist ja eine mistige merde . “ Bei dieser Gelegenheit können die früher (ist aber schon verdammt lange her) so genannten geneigten Leser zur Kenntnis nehmen, daß ihr bekannter und beliebter Autor auch hinreichend roman i stisch gebildet ist (und ist es nicht schön , das zu wissen?). Na, was geschieht wohl, als ihm j e mand die Haustür öffnet? Steht auf der Schwelle eine wide r liche Kreatur mit einem nukleargeladenen Energieassimil a tor? Ist es DER MAU L WURF, der die Macht übernehmen und die Menschheit ve r sklaven will? Trifft
Weitere Kostenlose Bücher