Gemischte Gefühle
eine gewisse waidmännische Komponente läßt sich natürlich nicht verleugnen. “
Was im Klartext bedeutete, daß die Eingeborenen nicht mehr Chancen hatten als die Hasen bei einer Treibjagd.
Nicolay war ein genialer Schachzug gelungen. Erstens hatte er in den Filipinos die idealen Sündenböcke gefunden, die man für alle Zerstörungen verantwortlich machen kon n te. Als schwache, unorganisierte Minderheit ohne irgen d welchen Rückhalt boten sie sich dafür wie auf dem Präse n tierteller an. Warum sollte es ihnen besser ergehen als etwa den Amazonasindianern?
Und zweitens bekommt man auf diese Weise die Killer aus den Urlaubszonen heraus. Die Killer waren jene, bei denen die Aggressivität nicht mit der Wirkung des Psych o gases abflaute, sondern die Gefallen an der Gewalt gefunden hatten. Nach dem Motto „ Hast du Schwierigkeiten im I n nern, so lenk ’ die Aggression nach draußen “ waren Kamp f gruppen gebildet worden, die nun im Dschungel herumkur v ten und die Eingeborenen massakrierten.
Wir bildeten einen von insgesamt zehn Trupps. Hinter uns fuhren noch zwei Landrover voller Schießwütiger. Die Insassen hatten sich fein gemacht für ihren blutigen U r waldausflug. Man sah viele, derbe, großkarierte Baumwol l hemden, Stiefel, Cowboyhüte, Jeans mit breiten Gürteln. Über allem lag der Hauch von Freiheit und Abenteuer. Jeder war ein kleiner Westernheld, der aus seiner Stagecoach he r aus ein paar Indianer abknallen konnte, aber live, nicht nur im Fernsehen.
Da waren die leitenden Herren aus den Palisanderbüros, die statt mit Befehlen auch mal mit Schüssen traktieren wol l ten. Da waren die mittleren Befehlsempfänger, die sch osse n, weil man es so angeordnet hatte. Sie taten alles, was man ihnen sagte. Auch wenn es etwas außerhalb der Legalität war. Schließlich konnte es ja eine gute Chance sein, sich zu profilieren. Und da waren die geknechteten Hilfssachbearbeiter, Aktenträger und Treppenterrier, die jetzt auch mal zuschlagen durften.
Eine einzige große Familie von Killern. Unseren tägl i chen Faschismus gib uns heute.
Während Dr. Hartinger mit seinen Jagderfahrungen auf Hoch- und Niederwild prahlte, sah ich Roussel an, der bi s her kein Wort gesagt hatte und Blondies schmachtende Blicke ignorierte. Er sah krank aus.
„ Ich finde das zum Kotzen “ , sagte ich zu ihm.
„ Ja, ja, aber die Meckerei nützt nichts. “ Er wirkte ung e duldig und explosiv. „ Wir müssen was tun. “
„ Aber was? Sollen wir ihnen etwa die Waffen abnehmen? Mit Gewalt? “
„ Warum nicht? “ sagte er langsam. „ Warum nicht. “
„ He, da ist wieder einer! “ schrie Klein und deutete nach vorn.
Ein Eingeborener war entnervt aus dem Wald gesprungen und lief nun schräg vor dem Wagen her. Er mußte verrückt sein. Er war einfach nicht zu verfehlen.
Dr. Hartinger stellte sich breitbeinig hin und zielte auf den Rücken des Flüchtenden. Es war glatter Mord.
Ich sprang auf und trat ihn ins Kreuz. Mit einem übe r raschten Aufschrei kippte er über Bord, und ich wünschte ihm, daß er unter die Räder kam. Sein Gewehr flog durch die Luft.
Roussel schnappte es mit einem schnellen Griff. Er rief dem Filipino etwas zu, der daraufhin wieder im Wald ve r schwand.
„ So, und jetzt schmeißt eure Waffen weg “ , keuchte er und schwenkte die Gewehrmündung über die anderen Jäger. „ Das ist kein Spaß. Ich knall ’ euch alle ab, wenn ihr nicht spurt. Los, wird ’ s bald! “
Mit bleichen Gesichtern und vorsichtigen Bewegungen warfen sie ihre Schießprügel auf die Erde.
Roussel grinste und blies eine Locke aus seiner Stirn. In diesem Augenblick glich er einem jungen Gott.
Die Kugel erwischte ihn in der linken Brustseite und wi r belte ihn um die eigene Achse. Er brach zusammen, ohne einen einzigen Schuß abgegeben zu haben.
Ich stürzte zu ihm hin.
Er lag auf dem Rücken. Auf seinem T-Shirt breitete sich ein großer, roter Fleck aus. Seine Brust hob und senkte sich in krampfhaften Stößen. Er atmete laut und schmerzhaft, wie eine Frau in den Wehen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Das Leben wich aus ihm, wie sich eine Wolke vor die Sonne schiebt.
Er starrte auf eine Palme am Waldrand, auf den weiten, tiefblauen Himmel.
„ Oh islands in the sun “ , flüsterte er. „ Ein Traum. Ein Traum. “
Sein Atem blieb stehen wie eine abgelaufene Uhr.
Als der Idiot, der ihn erschossen hatte, vom Landrover sprang und sein Gewehr auf mich richtete, sah ich ihn nur groß an.
Im Jahre des
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